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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 175
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wäre Leichenmann oder -frau geworden — unter diesen Umständen versuchte, bei
fast allen Todesfällen zusätzliches Trinkgeld oder Belohnung herauszuschlagen, ist
nur natürlich.

IV

Der Tote wurde feierlich zuhause, an seinem Sterbeort, aufgebahrt, obwohl dieses
vermutlich aus hygienischen Gründen schon 1822 verboten war:
„... wird das Aussetzen des Leichnams in oder außer dem Sarge, so wie jedes Gepränge
im Todtenhause gänzlich untersagt. Auch soll das Beten der Schul- und
Waisenkinder bei dem Leichnam niemals statt haben 23

Das Leichenhaus, über das Freiburg seit den 40er Jahren verfügte, hatte nämlich
anfangs nicht, wie man heute annehmen würde, den Zweck, Tote bis zum Begräbnis
aufzunehmen, sondern sollte vorrangig Scheintote vor dem Lebendig-begraben-
werden retten. Schon als 1818 im Magistrat der Bau eines Leichenhauses diskutiert
wurde, hieß es, dieses hätte den Vorteil, daß „. .. kein Scheintodter begraben
werde ..."; es sei auch geegnet für die Unterbringung von armen Toten, die im
Augenblick gewöhnlich „... in das Krankenspital gebracht, dort verpflegt, und
wenn sie sterben, bis zur gehörigen Begräbniszeit hinterlegt bleiben" 24.

1843 sollte dann mit Hilfe einer Stiftung mit dem Bau endlich begonnen werden25
. Aus einem Brief der Regierung des Oberrheinkreises an das Stadtamt in dieser
Zeit kommt zum Ausdruck, daß der Hauptvorteil eines Leichenhauses auf der
Verhütung des Lebendig-begraben-werdens beruhe26.

Vor allem die Leichenordnung von 1846 gibt ein Zeugnis von dieser fast hysterischen
Angst vor dem Scheintod: Das neue Leichenhaus hatte ein „Wiederbele-
bungslokal", und wenn ein Scheintoter Lebenszeichen von sich gab, mußte er sofort
in das Lokal gebracht werden27. Dort befanden sich ein Arzneimittelschrank,
ein Rollbett mit Zubehör, Rettungstafel und -kiste und ein Thermometer. Auch
eine Badewanne sollte vorhanden sein28. Für den Fall der Wiederbelebung eines
Scheintoten hatte der Leichenhausaufseher genauen Anweisungen zu folgen, die
heute unfreiwillig komisch klingen:

„Der Körper des Wieder erwachten muß sogleich in eine halb sitzende, halb liegende
Richtung gebracht, und an verschiedenen Theilen mit warmen, wollenen Tüchern
trocken, oder mit warmem Weingeist, Campher oder Salmiakgeist gerieben
werden. Auf Brust und Waden wird Senfteig gelegt, der Schlund mit einer in Oel
getauchten Feder gereizt, und von Zeit zu Zeit mit größter Vorsicht einige Hoff-
mann'sche Tropfen mit einem Löffel voll Wein gemischt dem Scheintodten in den
Mund gegossen; auch werden Klystiere aus einem weinigen Aufguß aromatischer
Kräuter angebracht. So fährt man einige Stunden, und jedenfalls bis zur Ankunft
des Arztes mit den Wiederbelebungsversuchen fort".29

Auch für den Fall, daß ein Scheintoter glücklich wiederbelebt worden sein sollte,
gab es eine Vorschrift:

„Ist die Wiederbelebung eines Scheintodten nicht mehr zweifelhaft, so ist der Familie
desselben hievon Nachricht zu geben. "30

In der Leichenordnung von 1846 steht noch einmal ausdrücklich, wofür die Leichenhalle
diente:

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