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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 184
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0186
Die Erhöhungen für III und IVKlasse treffen die mittlere und untere Bevölkerung,
die Jahr auf Jahr ... klagt über das wachsende soziale Elend und vielfach nicht mit
Unrecht klagt. Derartige Erhöhungen werden die allgemeine Unzufriedenheit nur
vermehren helfen. Die II Klasse trifft die besseren Bürgersleute, aber auch die werden
eine Erhöhung ums Doppelte schwer empfinden und niemand wird begreifen,
woher auf einmal eine solche Erhöhung.

Die Stadt Freiburg wird mit dem Beerdigungsgeschäft ihrer Einwohner kein Geld
verdienen wollen, am allerwenigsten am notorisch armen Mann, der mit seiner
Familie von der Hand in den Mund lebt.

... Da die betreffenden Klagen bei uns geführt wurden, erlaubten wir uns, sie dem
verehrlichen Stadtrat he zu unterbreiten/'16

Schon einige Tage später wird die Aussage obigen Briefes, daß die Erhöhung der
Preise in erster Linie die untere und mittlere Bevölkerungsschicht treffe, bestätigt.

Eine Frau Weiss schrieb an den Stadtrat, weil sie nicht imstande war, die Begräbniskosten
für ihren Mann zu bezahlen:

„ Unterzeichnete erlaubt sich, eine gnädige Bitte an Ihnen zu richten. Da mein verstorbener
Mann, Karl Weiss, am 6. ten d. Monat beerdigt worden ist, und ich nicht im
Stande bin, die Leichenkosten zu bezahlen, da ich jetzt Wittwe mit 3 Kindern bin,
und durch meinen geringen Verdienst die Familie kaum ernähren kan, darum bitte
ich Sie gnädigst, Herrn Stadtrat, die Leichenkosten in Abgang zu nehmen ... "77

Wie aus der Todesanzeige vom 4. Januar 1887 hervorgeht, war Karl Weiss Handelsmann
gewesen und im Alter von 42 Jahrengestorben78. Der in seiner Unbeholfenheit
ergreifende Brief seiner Frau zeigt, wie schnell in dieser Zeit eine Familie in
eine unverschuldete soziale Notlage geraten konnte. Der sozialen Absicherung, die
die Zünfte geboten hatten, war die Gewerbefreiheit mit ihren positiven Folgen für
das Wirtschaftswachstum gefolgt; ihre Schattenseiten zeigten sich in einer solchen
Situation.

Der Bitte von Frau Weiss wurde nicht entsprochen — am 25. Januar wurde ihr
der Sitzungsbeschluß mitgeteilt, der ergeben hätte, daß man nicht in der Lage sei,
die Kosten von 70 M auf die Stadtkasse zu übernehmen79. Man wollte sicher nicht
ein Beispiel Schule machen lassen. Frau Weiss schrieb aber einen Monat später in
derselben Angelegenheit an das Rentamt:

„Ich bitte Sie höflichst, da ich die Leichenkosten meines verstorbenen Mannes Karl
Weiss an das hiesige Rentamt zu bezahlen habe, und ich als Wittwe mit 3 Kinder zu
dieser Jahreszeit nicht im Stande bin zu bezahlen, so bitte ich Sie höflichst, mir
doch monatliche Abschlagszahlungen nach Ostern zu gewähren; da ich jetzt für
3 Kinder und Mietzins allein sorgen muß, und gegenwärtig in einem armen Zustande
bin ... "80

Es ist anzunehmen, daß diese Bitte ihr erfüllt wurde — der Schneider Heinrich
Thürer zumindest, der genau denselben Antrag einige Monate später an das Rentamt
richtete (er wollte die Begräbniskosten seines Kindes in Höhe von 17,60 M in
monatlichen Raten zu 3,— M abzahlen, die einmalige Summe konnte er nicht aufbringen81
, durfte seine Schulden mit monatlich 5,— M abzahlen82.

Diese Briefe werfen ein bezeichnendes Licht auf die soziale Bedrängnis, in die bereits
kleinbürgerliche Schichten in Freiburg durch einen Todesfall geraten konnten.

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