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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 185
(PDF, 32 MB)
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Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß der Sterbeverein (von dessen Gründung
1838 bereits die Rede war) immer mehr Zulauf erhielt, wie die Freiburger Zeitung
im Jahre 1900 zu berichten weiß:

„Der Verein, der bezweckt, den Hinterbliebenen die erste Hilfe zu leisten, um dem
Verstorbenen eine anständige Beerdigung zu geben, zählt jetzt schon 700 Mitglieder
. Die Zahl dürfte sich in nächster Zeit noch erhöhen, da viele Anmeldungen erfolgt
sind."™

IX

Zum Schluß soll noch einmal festgehalten werden — in Bezug auf die eingangs aufgeworfene
Frage um den Wandel im tradierten Verhalten bei Tod und Begräbnis -
daß dieser Wandel im 19. Jahrhundert vor allem auf „fortschrittliche" Anordnungen
der großherzoglichen Behörden zurückgeht, die auf erheblichen Widerstand in
der Bevölkerung stießen, so beim Streit um die Einführung des Leichenwagens oder
bei der Vorschrift der obligatorischen Benutzung der Leichenhalle.

Unter der dünnen Decke einer aufgeklärten, liberalen Führungsschicht — die
sich natürlich schriftlich eher äußerte und dadurch den Anschein von Mehrheit gewinnt
— zeigt sich eine konservative Bevölkerungsmehrheit, die lieber den traditionellen
Verhaltensmustern folgte, sich aber nicht gegen die erste durchsetzen konnte.
So sind vor allem die Handlungen nach dem Tod in Freiburg durch die Vorschriften
in einem überraschenden Ausmaß geprägt. Wenn man nun den Bogen von dieser
Zeit zur Gegenwart schlägt, so fallen sofort vor allem zwei Unterschiede ins
Auge: Zum ersten die Tatsache, daß — trotz allen modernen Klagens darüber -
der Mensch, der im Kreis von Familie und Freunden „wohlvorbereitet" stirbt, die
absolute Ausnahme ist und nicht die Regel wie damals; das heutige Sterben findet
vorwiegend in Kliniken in fremder Umgebung statt, und die Gewißheit, die noch
der Mensch des 19. Jahrhunderts haben konnte, nämlich nicht allein zu sterben, hat
der heutige Mensch nicht.

Und zum anderen der möglichst große Prunk der Begräbnisse und der Leichenzüge
, die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein öffentlich durch die Straßen zogen. Im
Unterschied zum Sterben sind ja nun große Begräbnisse nicht die Ausnahme, aber
es ist auffallend, daß sich in Freiburg wie auch andernorts seit einiger Zeit die
Todesanzeigen häufen, die vermerken, daß der Verstorbene „im engsten Familienkreis
" beigesetzt worden sei. Dieses wäre im 19. Jahrhundert sicher nicht nur in
Freiburg nicht als wünschenswerte Alternative zu einem als lästig empfundenen
großen Begräbnis gesehen worden, sondern als trauriger Ausnahmefall, der nur
Leute betreffen konnte, die gewissermaßen außerhalb der Gesellschaft standen.

Die auf lange Sicht aber schwerwiegendste Veränderung der Einstellung zum Tod
dürfte eine Bestimmung von 1875 gebracht haben, die besagte, daß Tote unbedingt
ins Leichenhaus zu bringen seien. Dieses führte nach sich, daß nun auch die Leichenzüge
ab hier begannen und nicht mehr durch die Stadt zogen; und der Tote
wurde nicht mehr im Hause aufgebahrt, sondern in der Abgeschiedenheit der Leichenhalle
auf dem Friedhof. Damit wurde der Tod gleichsam aus der Öffentlichkeit
entfernt: Der Beginn dieser Entwicklung ist hier im Freiburg des 19. Jahrhunderts
zu finden.

185


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