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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 201
(PDF, 32 MB)
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enger in Kontakt kam als die der Barackenwohner beim Werksgelände, sei hier die
Konfessionszugehörigkeit innerhalb dieser Gruppe nocheinmal aufgegliedert:
31 evangelisch, 34 katholisch, 9 gottgläubig, 8 konfessionslos, 1 apostolisch.

Die Grubenbelegschaft im Gemeindeleben

Es liegt auf der Hand, daß diese plötzliche Überfremdung in einer so geschlossenen
und traditionsreichen Gemeinde, wie Ebringen es damals war, wie ein Schock wirkte.
Die Bewohner der Baracken, unter denen es den größten Wechsel gab, hatten allerdings
wenig Kontakte zur einheimischen Bevölkerung. Sie besuchten allenfalls die
Wirtschaften, wo sie dadurch auffielen und zur Belustigung beitrugen, da sie den
Wein nicht vertragen konnten. „Das Lager blieb für sich", urteilt Emil Thoma,
einer der zwanzig bis dreißig Ebringer, die im Bergwerk arbeiteten. Daß seitens der
Ebringer Bevölkerung eine Ablehnung gegenüber den „Insassen des Wohnlagers"
bestand, geht aus einer Notiz in den Akten des Gemeindearchivs hervor.10 Der
Ebringer Bürgermeister hatte sich 1940 bei den Rohstoffbetrieben beschwert und
die Nationalitätenfrage gestellt: Polen oder Deutsche? Er hielt sie offenbar für
Polen und hätte es gerne gesehen, wenn sie wie die in der Landwirtschaft beschäftigten
Kriegsgefangenen behandelt worden wären — diese wurden bewacht.11 Die
Rohstoffbetriebe schrieben zurück, die Leute seien unzweifelhaft Deutsche, und die
Ebringer sollten sich mit ihnen vertragen. In St. Georgen hätten sie sich monatelang
aufgehalten, ohne daß es Schwierigkeiten gegeben hätte.

Die Siedlungsbewohner hatten schon durch den Standort ihrer Häuser, vor allem
aber über ihre Frauen und Kinder, mehr Berührung mit dem Gemeindeleben. Zunächst
standen die Ebringer den Neuankömmlingen sehr reserviert gegenüber. Die
„Leute aus dem Kohlenpott" erschienen ihnen als großstädtisch und arrogant. Im
übrigen verstand man nicht einmal die gegenseitige Sprache ganz genau, hier Alemannisch
, dort der Slang aus dem Revier. Langsam kamen dann aber doch Kontakte
zustande: Die Bergleute und ihre Angehörigen erwiesen sich als sehr arbeitsam
, was ihnen Achtung einbrachte: Sie halfen in den Reben und in der Landwirtschaft
. Durch ihre Kleintierhaltung — Hasen, Hühner, Enten, Gänse — erwarben
sich die Bergleute in der Siedlung weniger Sympathien. Futter war damals begehrt
und in Ebringen knapp. — Wofür die Ebringer nie Verständnis aufbringen konnten
, war der Wandertrieb der Bergmannsfamilien. Nachdem sie nun nicht mehr von
Ort zu Ort ziehen konnten, wechselten viele von ihnen innerhalb der Siedlung die
Wohnung.

Offene Konflikte traten unter den Erwachsenen zu keiner Zeit auf. Im Bereich
der Politik, wo Auseinandersetzungen zwischen den zentrumstreuen Ebringern und
den eher links orientierten Bergleuten denkbar gewesen wären, herrschte während
des Dritten Reiches zwangsläufig Ruhe. Nur die Schulkinder setzten die Vorurteile
der Erwachsenen in die Tat um: Nach dem Unterricht gab es turbulente Prügeleien
mit stattlicher Beteiligung, Mädchen nicht ausgenommen. Der damalige Lehrer
Laubenberger führte den gestaffelten Schulschluß ein: Im Wechsel durften erst die
Ebringer Kinder, dann die aus der Siedlung den Heimweg antreten. Mit dem
großen Exodus 1942 hat sich das Problem entschärft. Ein Nachklingen der alten
Vorbehalte ist jedoch bisweilen bis heute zu spüren.

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