Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 223
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0225
Minute, bevor diese Möglichkeit des Nachvollzugs geschichtlicher Erfahrung gänzlich vergangen
ist.

„Halt! Schweizer Grenze!" sammelt Dokumente und Lebensberichte zum grauenvollen
Ende des Krieges in vier Hauptteilen: I: Der Rückzug der Kampfgruppe 89. Infanterie Division
nach deutschen Unterlagen; II: Die Ereignisse von Mitte bis Ende April 1945 aus französischer
Sicht; III: Das Geschehen an der Schweizer Grenze; IV: Berichte von Gemeinden aus
der Rheinebene, Baar, Schwarzwald, Hochrhein, Wutach, Randengebiet. In klarer Gliederung
, die das Buch vielseitig brauchbar macht, vermittelt Rieder (nach seinen beiden Büchern
„Aasen Schicksal einer Division" und „Ausweglos letzter Akt des Krieges im Schwarzwald
, in der Ostbaar und an der oberen Donau Ende April 1945") ein erschütterndes Panorama
des letzten Kriegsmonates in unserem Gebiet.

Wer, ohne sich auf ideologische oder ethische Argumentationen zu beziehen, aufgrund
rein militärtechnologischer Überlegungen erkennen will, daß diese sinnlosen Rückzugskämpfe
ein Verbrechen waren, der findet in diesem Werk reichen Stoff. Er findet sich in den
unscharfen Berichten des OKW, die die Bevölkerung viel zu spät und unklar informierten
und sie so im Kriegsgeschehen im Stich ließen, sowie in den bitteren Berichten deutscher
Offiziere, die z.T. wenigstens das Allerschlimmste (Werwolf-Spinnereien) zu verhindern
trachteten, in den Phrasen der Reichsführung, die die Truppe ohne jedes sinnvolle Kriegsmaterial
(Luftunterstützung, panzerbrechende Fernwaffen, geschweige denn Panzer selbst
und brauchbare Transportmittel) zu reinen Schlachtopfern degradierte. Er findet sich auch,
wenn die Wehrmacht bzw. das überwiegend aus Wehrmachtsresten bestehende XVIII. SS-
Armee-Korps alles aufwenden muß, um die »Verbrannte Erde Befehle* der Parteiführung zu
konterkarieren (z. B. S. 108f.). (Alles Teil I).

Die siegestrunkenen, aber beispiellos nüchternen und militärisch rationalen französischen
Berichte geben einen Eindruck beispielhafter militärischer Kriegsführung, gehen aber nicht
auf die erdrückende Materialüberlegenheit der afrikanischen und europa-französischen
Truppen an Luftunterstützung, Panzern und Artillerie, denen die Deutschen nichts entgegenzusetzen
hatten, ein (Teil II). Namen wie Überach und Behla werden zu Chiffren des Kriegsgeschehens
in den nichtschweizerischen drei Teilen.

Wer heute im schweizerischen Grenzgebiet steht, kann sich überhaupt nicht vorstellen, was
eine »geschlossene Grenze* hier für halbverhungerte und angstgeschüttelte Flüchtlinge —
Zivilpersonen, Gefangene und Wehrmachtsangehörige — bedeutet hat. Der Schweizer Teil
(III) läßt die Landschaft am Hochrhein in einem ganz anderen geschichtlichen Licht erscheinen
; Flüchtlinge wurden aufgenommen, verpflegt, aber zuvor auf lange Wege entlang des
Zollhags bzw. der Schweizerischen Grenzbefestigungen auf deutscher Seite geschickt, Wehrmachtsangehörige
in der Regel zurück und in französische Gefangenschaft geschickt bzw.
sogar begleitet, nachdem man zunächst in Kämpfe verwickelte deutsche Soldaten in der
Schweiz noch interniert hatte. Interessant, daß man den Schaffhausenern wegen möglicher
Bindungen zu Deutschen nicht traute und die Grenzwache lieber z.B. Appenzellem anvertraute
, interessant auch Äußerungen der Verwunderung über die armseligen Reste der „seinerzeit
so gefürchteten, modernen deutschen Armee" (S. 220). Geradezu erschütternd der
Bericht von einem Sudetendeutschen, der den Schweizer Zugführer bat, ihn doch lieber zu
erschießen als zurück auf deutschen Boden zu schicken (S. 187). Andererseits zeigt dieser Bericht
aber auch den großen Mut und die entschlossene Tapferkeit einiger Schweizer, angesichts
der rechtlich einwandfreien, aber menschlich zutiefst elenden Situation, das Beste für
die Flüchtlinge zu bewirken!

Das Erschütterndste findet sich in Teil IV, überwiegend den Berichten der Betroffenen
(Pfarrer vor allem). Wer, wie der Rez., von einem dieser sinnlosen Rückzugskämpfe im Siegerland
in einem Haus mit 8 Volltreffern aus 8,8 Tigerpanzerkanonen selbst betroffen war,

223


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0225