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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
106.1987
Seite: 299
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0301
Goethe vor dem Freiburger Münster

Von

Johannes Korthaus

In seinem Beitrag „Goethe in Freiburg und im Breisgau" kommt Helmut Bender zu
dem etwas betrüblichen Ergebnis, daß „das Fehlen jeder Reaktion auf Stadt und
Münster . .. seltsam und fast schon schmerzlich berührt."1 Dieser Schmerz kann -
Goethe sei Dank — gelindert werden; im 9. Buch von „Dichtung und Wahrheit" findet
sich folgende Feststellung aus dem Jahre 1812: „ . . . wenn ich die Zeit berechne,
die ich allein dem Straßburger Münster gewidmet, die Aufmerksamkeit, mit der ich
späterhin den Dom zu Köln und den zu Freiburg betrachtet und den Wert dieser Gebäude
immer mehr empfunden; so könnte ich mich tadeln, daß ich sie nachher ganz
aus den Augen verloren, ja, durch eine entwickeltere Kunst angezogen, völlig im Hintergrunde
gelassen."2

In Straßburg hatte Goethe ein neues Verhältnis zur Kunst der Gotik entwickelt:
„Unter Tadlern der gotischen Baukunst aufgewachsen, nährte ich meine Abneigung
gegen die vielfach überladenen, verworrenen Zierarten, die durch ihre Willkürlichkeit
einen religiös düsteren Charakter höchst widerwärtig machten; ich bestärkte
mich in diesem Unwillen, da mir nur geistlose Werke dieser Art, an denen man weder
gute Verhältnisse noch reine Konsequenz gewahr wird, vors Gesicht gekommen
waren. Hier aber glaubte ich eine neue Offenbarung zu erblicken, indem mir jenes
Tadelnswerte keineswegs erschien, sondern vielmehr das Gegenteil davon sich
aufdrang."3

Im Jahre 1771 begann Goethe mit der Niederschrift seiner Abhandlung „Von deutscher
Baukunst", in der er emphatisch die wichtigsten Kunsteindrücke seiner Straßburger
Zeit zusammenfaßte: unter Vernachlässigung christlicher Inhalte beschrieb er
das Münster als Produkt individueller Schöpferkraft („Genie"). Die gotische Kunst
galt ihm — wie nur noch die griechische — als „Ursprache"! Der Einfluß Herders
hatte ihn in dieser Auffassung nachhaltig bestärkt.

Neben dem Straßburger Münster, dem ohne Zweifel das Hauptgewicht zukommt,
haben aber auch die „Dome" zu Köln und Freiburg ihren Teil dazu beigetragen,
Goethes Verhältnis zur Kunst der Gotik neu zu bestimmen. Den Torso des Kölner
Doms hatte er 1774 auf der Rheinreise und 1792 nach dem Frankreichfeldzug gesehen
; das Freiburger Münster konnte er 1775 auf seiner ersten und 1779 auf seiner
zweiten Schweizer Reise studieren. Aus der Anschauung dieser drei „Dome", die
nichts „Tadelnswertes" enthielten, entwickelte Goethe seine Vorstellung von Gotik:
„Denn ein Kunstwerk, dessen Ganzes in großen, einfachen, harmonischen Teilen be-

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