Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 260
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0262
Kurt Sauer beschreibt die Erd- und Landschaftsgeschichte der Gemarkung Tiengen und
schlüsselt dabei die ganze unterirdische Struktur der Freiburger Bucht auf. Zu Tiengen gehören
drei ganz unterschiedliche Bereiche, die auf einer beigegebenen Bodenkarte klar ins Auge
fallen: Löß- und Lößlehm über einem Kalksockel am Tuniberg, die sumpfige Mühlbachniederung
und der grundwasserreiche Mooswald über Sand- und Kiesschichten. Daß Hans Kleiber,
der in seiner aktiven Dienstzeit als Leiter des Staatlichen Forstamts Freiburg II auch für den
Mooswald zuständig war, seine hervorragenden Kenntnisse über dieses Gebiet hier zusammenfaßt
, muß man als besonderen Glücksfall hervorheben. Er ging das Thema „Wald" ganzheitlich
an: Er behandelt die Naturgeschichte vom Baumbestand bis zur Bodenflora, aber auch
die Geschichte der Besitzverhältnisse, der Verwaltung und sogar der Namenkunde. Letzteres
indem er die Flurnamen aus den Verballhornungen der Geometer des vergangenen Jahrhunderts
befreit. Zur Besitzgeschichte zeigt er alte wappengeschmückte Grenzsteine, die zu registrieren
und zu erforschen ihm über Jahrzehnte hinweg ein Anliegen war. Der Wald auf Gemarkung
Tiengen, der teils Staatswald und teils Privatwald ist, wird seit 1960 durch die
Autobahn zerschnitten. Westlich liegt der Schloßwald, der an das abgegangene Schloßgut Wangen
erinnert, östlich der Arlesheimer Wald, der dem Kenner der Historie durch seinen Namen
signalisiert, daß hier das Basler Domkapitel eine Rolle gespielt haben muß: Von der Reformation
aus Basel vertrieben, verlegte es seinen Sitz erst nach Freiburg, 1677 auf der Flucht vor
den Franzosen dann ins schweizerische Arlesheim.

Die Historikerin Anneliese Müller untersuchte diese Beziehungen zwischen der Basler
Dompropstei und Tiengen: sie bestanden vom hohen Mittelalter bis zur Bildung des Großherzogtums
Baden im frühen 19. Jahrhundert in unterschiedlicher Intensität: Am Anfang verfügten
die Basler über alle Rechte außer der Landeshoheit, vom ausgehenden Mittelalter an schoben
sich die Markgrafen von Baden als Vögte und Gerichtsherren zwischen die Tiengener
Untertanen und ihre geistliche Grundherrschaft. Die markgräfliche Macht reichte aus, um in
Tiengen Mitte des 16. Jahrhunderts die Reformation einzuführen. Die Verfasserin zeichnet in
ihrem faktenreichen Beitrag die rechtliche Entwicklung vom Hofverband zum Dorf nach. Sehr
wirklichkeitsnah, direkt aus den Quellen schildert sie den Ablauf des Dinggerichts in Tiengen
vom 15. bis ins 18. Jahrhundert. Sie stellt fest, daß dessen äußere Formen zählebig waren, inhaltlich
jedoch eine stetige Aushöhlung zugunsten des Markgrafen stattfand. Als Kuriosum sei
erwähnt, daß der katholische Dompropst den evangelischen Pfarrer, den ihm der Markgraf
präsentierte, ernennen und besolden mußte. Ihren Grundbesitz konnte die Dompropstei besser
bewahren als ihre politischen Rechte, bis auch dieser bei der Säkularisation 1806 an den badischen
Staat fiel, weshalb eben der Arlesheimer Wald bis heute Staatswald ist. — Sprechende
Zeugnisse aus Tiengens alter und ältester Zeit bietet auch Dieter Hensle in seinem Beitrag über
die Orts- und Flurnamen. Er schöpft aus mittelalterlichen Besitzverzeichnissen bis hin zu modernen
Flurkarten, erklärt die Namen und ihre Entwicklung und fügt, wo nötig, Deutungen
an. Auf fünf Seiten listet er das Namengut in alphabetischer Ordnung vollständig auf mit einer
Kurzerklärung unter Angabe der frühesten Erwähnung und der Quelle.

Hans Schadek schreibt über die schockierend grausamen Ereignisse während des Dreißigjährigen
Krieges. Tiengen — an der Durchgangsstraße zwischen den Festungen Freiburg und
Breisach gelegen — hatte unsäglich zu leiden und war am Ende des Krieges fast entvölkert.
Eine erstaunliche Tatsache ist, daß die Stadt Basel in den 1630er Jahren Flüchtlinge aus den
Markgräfler Dörfern aufnahm, „nicht nur die Begüterten, sondern auch die Armen und gänzlich
Mittellosen44. Daß Tiengener unter diesen Exilanten oder Asylanten waren, kann Schadek
durch Kirchenbucheinträge nachweisen. Der Tiengener Pfarrer, der 1651 ein neues Kirchenbuch
anlegte, verzeichnete Basel und Orte in dessen Umgebung als Geburtsorte. Ende des
17. Jahrhunderts wurde Tiengen durch die Kriege Ludwigs XIV. noch einmal in Mitleidenschaft
gezogen. 1674 schlug ein kaiserlicher General in Tiengen sein Hauptquartier auf, die

260


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0262