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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1990/0143
Polen immer mehr zu einem unverzichtbaren Bestandteil von politischen Veranstaltungen
. In Freiburg nutzte man wiederholt die Feierlichkeiten zu Ehren der Breis-
gauer Kammerdeputierten, um sich im pro-polnischen Sinne zu äußern. Der Prorektor
der Universität, Johann Georg Duttlinger, scheute sich nicht, bei einem Essen
unter dem Beifall der 70 Anwesenden folgenden Toast auszubringen:

„Sieg der polnischen Sache, denn sie ist die Sache der Menschheit, die Sache von
Europa, die Sache der deutschen Völker, die Sache des Volkes von Baden, die Sache
der edlen Bewohner der Stadt, die sich freie Burg nennt (.. J/M1

Nach der Niederschlagung des Novemberaufstandes waren ca. 48 000 polnische
Soldaten nach ihrem Ubertritt auf preußisches und österreichisches Gebiet dort entwaffnet
und interniert worden. Die überwiegende Mehrheit nahm trotz Amnestie des
Zaren das Asylangebot der französischen Regierung an. Der Abmarsch begann im
Dezember 1831. Die Polen zogen in Gruppen von 50 bis 100 Mann auf dem Landweg
durch die deutschen Staaten nach Frankreich. Die nun einsetzende zweite Phase der
Polenfreundschaft wird durch zwei eher gegensätzliche Merkmale geprägt. Zum einen
tritt der funktionale Aspekt der Polenfreundschaft deutlich in den Vordergrund,
zum anderen setzt nun jene Polenbegeisterung ein, deren zuweilen romantische Verklärtheit
es den Kritikern ermöglichte, die deutsche Polenfreundschaft als realitätsferne
„Schwärmerei" abzutun. Karl Alexander v. Reichlin-Meldegg, Professor für
Kirchengeschichte an der Freiburger Universität und selbst einer der engagiertesten
Polenfreunde, charakterisiert die Stimmung in Freiburg wie folgt: „Der politische
Zustand Freiburgs glich damals einem allgemeinen Rausche. Die Bürger waren wie
von der Tarantel gestochen. Sie rissen sich um die Polen, die Damen um ihre
Knöpfe." 12 Die ersten polnischen Flüchtlinge waren am Abend des 3. Februar 1832
in Freiburg eingetroffen. Sie stiegen im Gasthof „Engel" ab, und eine „halbe Stunde
später konnte der weite Saal des Hotels gerade noch die Versammelten fassen, die
Altesten der Stadt, Professoren, Beamte und einen ganzen Pulk Akademiker."13

Am folgenden Tag traf ein weiterer Pole ein. Es handelte sich um Cyril Grodecki,
ehemals Abgeordneter des polnischen Reichstages, der bis Anfang Juli in Freiburg
bleiben sollte. Am Abend wurde zu Ehren der Gäste eine Theateraufführung gegeben
, und als sich am Schluß der Vorstellung herausstellte, daß nochmals 17 polnische
Emigranten angekommen waren, „kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Alle Klassen
der Bevölkerung strömten nach den drei Gasthäusern, in die man sie verteilte
(...). Unsere wackere studierende Jugend, vom reinsten Mitgefühl erglüht, zog in
großen Scharen herbei, um durch patriotische Gesänge die Anwesenheit dieser Vorfechter
der Freiheit würdig zu begrüßen."14 Ähnlich enthusiastische Szenen wiederholten
sich am Sonntag. Es fanden sich nun auch Polenfreunde aus Emmendingen
ein, und das Freiburger Theaterkomitee ließ es sich nicht nehmen, Karl v. Holteis
Singspiel „Der alte Feldherr" über das Leben des polnischen Nationalhelden Tadeusz
Kosciuszko aufzuführen.15 Im Anschluß an die Vorstellung wurde das von Reichlin-
Meldegg eigens aus diesem Anlaß verfaßte Polenlied (Abb. 3) zum ersten Mal vorgetragen
.16 Das „Reichlinsche Polenlied" erschien am 5. Februar 1832 in einer Auflage
von mehreren tausend Stück und wurde, wie Autor und Behördenberichte bestätigen
, zu einem wahren Gassenhauer. Auch wenn der dichterische Wert dieses Liedes

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