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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 151
(PDF, 29 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1992/0153
Bei den badischen Einheiten war das Offizierscorps landsmannschaftlich gemischt.
Viele Kommandeure stammten aus Preußen. Manche Soldaten beklagten in ihren
Briefen die Überheblichkeit von Offizieren, so ein Südbadener: Gerade das, was wir
echten Patrioten, die im Frieden immer zu spotten hatten auf allen Hurrapatriotismus
, gerade das, was wir erhofft hatten, nämlich den völligen Ausgleich der Standesunterschiede
vor der Majestät der Opfer und vor dem allen gleichen Tod, gerade diesen
Ausgleich wird es nicht geben. Sie glauben es nicht, — hier ein Bild:
Schützengraben, drei Leute zanken sich um ein Brot. Drinnen die Offiziere bei Wein
im Überfluß. Das Herz blutet . .. Von der Fürsorge für den Soldaten, die so viel in
den Zeitungen steht, davon merken wir nicht viel.26

Dennoch hielt die Truppe bis gegen Kriegsende treu und gehorsam zu den Kommandeuren
. Das grausame Kriegsgeschehen nahmen die meisten^ wie die Briefe und
Erinnerungen bezeugen, als Schicksal: Die Todesangst im Schützengraben beim unheimlichen
Sausen in der Luft und dem gleichzeitigen Einschlagen der Granate , ..;
die Enge der Unterstände, voll Schlamm und Wasser, mit Ratten und Ungeziefer; das
Stöhnen der Verwundeten, den Tod des Kameraden, den man unter Lebensgefahr aus
dem Stacheldraht nach hinten holte, im leeren Brotwagen hinter die Front fuhr, um
ihn ehrenvoll zu begraben; die fürchterlichen Verhältnisse in den Notlazaretten, Operationen
ohne Narkose; das Glück, davongekommen zu sein, auf Spähtrupp einen Sekundenbruchteil
vor der Maschinengewehrsalve des Gegners in Deckung gegangen
.. .: Nach jedem Gefecht dankt man Gott, daß man noch am Leben ist, so gern hat
man es. Aber wir geben es alle, alle her flir unser schönes Vaterland, schrieb ein Freiburger
Student im Mai 1916 den Eltern.27

Mein Onkel, der jüngste Bruder meines Vaters, nach dessen Vornamen ich getauft
wurde, war beim Fuß-Artillerie-Bataillon 94, 3. Batterie. Ich besitze die Postkarten
und Briefe von ihm und an ihn. Im April 1918 ging noch ein Brief an ihn mit dem
Wunsch: daß dir deine Gesundheit erhalten bleibe. Möge Gott unsere Bitte erhören
und dich vor allem Unglück bewahren.28 Der Brief kam zurück mit neuer Anschrift.
Die alte — Fuß-Artillerie-Bataillon 94, 3, Batterie, Feldpost 712 — war durchgestrichen
. Die neue lautete: „Auf dem Felde der Ehre" Der Batteriechef kam erst acht
Tage nach dem Verlust des Kanoniers Hug dazu, den Eltern zu schreiben: Die Batterie
erfüllt hiermit die traurige Pflicht, Sie von dem Ableben Ihres Sohnes Karl in
Kenntnis zu setzen. Wir waren am 26. 3. 18 schweren Fliegerangriffen ausgesetzt, wobei
neben noch 10 anderen Kameraden durch Fliegerbomben auch Ihr Sohn Karl den
Heldentod fiirs Vaterland erlitten hat .. .29

Die Gesamtzahl der gefallenen Badener wurde amtlich mit 62 677 beziffert. In keinem
Kriegsjahr waren so viele umgekommen wie im letzten: 1918 waren es allein
15 653. Alle gefallen „auf dem Felde der Ehre!" Als der Heidelberger Privatdozent
Gumbel die Formel 1925 ein wenig in Frage stellte, provozierte er den größten politischen
Skandal in der Hochburg des badischen Liberalismus, des nationalen Liberalismus
,30 Dort hatte sich Gerhard Ritter habilitiert, seit 1925 Ordinarius hier in
Freiburg. Auch seine Briefe von der Front sind aufschlußreich. Seiner Mutter schrieb
er am 7, 3. 1915 über die empörend arrogante Art der Offiziere, die jeden einzelnen
Mann bis zum Beweis des Gegenteils für einen Schweinehund hielten, und daß ihn
der Militärdienst fast vom Konservativen zum Demokraten gemacht hätte. Drei Mo-

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