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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 214
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strenge Camaldulensermönch Bartolomeo Alberto Cappellari war 1831 nach zweimonatigem
Konklave zum Papst gewählt worden, Er nannte sich Gregor XVL und
war wie kein anderer neuzeitlicher Papst ein Mann der ausgesprochenen Restauration
. Unter seiner entschlossenen Führung setzte sich in Deutschland eine Ultra-
montanisierung durch, welche Aufklärung und Liberalismus bekämpfte, Den Grundstock
dazu setzte er selbst in seiner „ebenso berühmten wie berüchtigten Enzyklika
'Mirari vos* vom 15. August 183244.102 Darin verurteilte er sowohl Irrtümer des Liberalismus
und des Naturalismus als auch „völlig berechtigte Forderungen wie Gewissens
- und Pressefreiheit";103 und als ehemaliger Ordensgeneral schärfte er den
Bischöfen ein, sie mögen sorgfältig auf die heilige Disziplin, wozu der Zölibat
gehöre, bei ihren Priestern achten.

Das badische Musterländle galt auch hierbei als besonders aufmüpfig. Eine regelrechte
Antizölibatsbewegung hatte sich hier formiert und reichte bis in die Debatten
des badischen Landtags,104 Dort forderte der Abgeordnete und Freiburger Universitätsprofessor
Duttlinger,105 mit dem Schreiber befreundet war, im April 1828 in
einer von 23 katholischen Laien aus Freiburg unterzeichneten Petition die großherzogliche
Regierung auf, „die den katholischen Geistlichen auferlegte Vorschrift des
Cölibates im Großherzogtum Baden" über ein Gesetz aufzuheben.106 Ganz in jose-
phinischem Staatsdenken verankert, fügten diese hinzu, falls der Erzbischof sich
dem widersetzen sollte, „dann würde wohl unbestreitbar der Staatsgewalt das Recht
zustehen, durch ihr Einschreiten diese durch das Staatswohl gebotene Maaßregel
nöthigen Falls für sich allein zu treffen".107 Argumentativ waren diese Petitionen -
eine weitere erging an den Großherzog und an den Erzbischof - durch eine „Denkschrift
für die Aufhebung des den katholischen Geistlichen vorgeschriebenen Cölibates
" unterstützt worden. Deren Verfasser waren die Freiburger Professoren Karl
Zell, der später von Ultramontanen so gerühmte,108 und Heinrich Amann. Zwar
gehörten beide nicht der theologischen Fakultät an - Zell war Mitglied der philosophischen
und Amann der juristischen Fakultät. „Doch war bekannt, daß diese hinter
ihnen stand und aufs engste mit ihnen verbunden war."109 Besonders Reichlin-Meld-
egg konnte in seinen kirchengeschichtlichen Vorlesungen einen beträchtlichen Fundus
an Skandalgeschichten präsentieren, was ihm der Tübinger Theologe Möhler besonders
übel nahm.110 Doch bei Reichlin-Meldegg war die Zölibatskritik nicht der-
art peripher wie bei Schreibers Theologie. Nach dogmatischem Verständnis verließ
er den katholischen Boden in so wichtigen Fragen wie der Christologie und der Sakramentenlehre
. Die Soteriologie ließ er nur moralisch gelten: „Die Erlösung besteht
nur noch darin, daß Christus für seine Überzeugung in den Tod ging und die an ihn
glaubenden Christen dadurch aufmunterte und kräftigte, wider alle Hindernisse nach
der Verwirklichung von Reinheit und Gerechtigkeit in ihrem Leben zu streben."131
Auf Betreiben von Erzbischof Boll verließ Reichlin-Meldegg nach einigem Hin und
Her freiwillig die theologische Fakultät und wechselte im September 1831 in die
philosophische Fakultät über. Ein knappes halbes Jahr später, am 29. 2. 1832, trat er
zur evangelischen Kirche über.312 Sein Kollege, der Staatsrechtler Karl Theodor
Welcker, schrieb ihm dazu: „Ich hätte dich nicht in unsere Kirche aufgenommen
Du sagtest ja nur, was du nicht glaubst, aber nicht, was du glaubst."113

Der Erzbischof, durch weitere Agitationen gegen den Zölibat, welchen freilich

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