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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 216
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nem hinter den Bettvorhang, aber vor dem Publicum soll er sich gebührlich aufführen
."126 Erzbischof Boll und einige andere Domkapitulare hätten diesen Satz
nicht hören dürfen. Und auch Schreiber war empört: „Dieses war doch mehr als
genug, um nicht nur einen Lehrer der Moral, sondern jeden Menschen von sittlichem
Gefühle, mit welchem man unterhandeln wollte, vorhinein zurückzustoßen/'127

Wenn Schreiber hier recht hat, dann dürfte der Grund, warum Hug Erzbischof und
Domkapitel von einem Gespräch mit Schreiber abhielt, deutlicher geworden sein.
Für Schreiber war diese Begegnung mit Hug, mit dem er „über vieljährige persönliche
Verhältnisse" verbunden war, „eine der schwersten Stunden, vielleicht die
schwerste Stunde seines Lebens".128

Überhaupt scheint mir bemerkenswert zu sein, welch starke Rolle dieser große
forschende Bibelexeget Johann Leonhard Hug in Schreibers Leben eingenommen
hat. Hug war es, der ihn für die Moraltheologie vorgeschlagen hatte und ihn durchsetzen
konnte. Freilich standen sich Hug und Schreiber in manchen inhaltlichen Fragen
der Moral theologie sehr nahe,129 Doch Hug gehörte wie ein Hermann von Vicari
und andere auch zu jenen aristokratischen Gestalten, die sich in einem langen
Gärungsprozeß immer weiter von einer aufgeklärten Denk- und Handlungsweise
entfernten. Am pointiertesten von allen, die diese Wende beobachteten,130 brachte
der zynische Reichlin-Meldegg dies polemisch auf den Punkt: „Seit der Inthronisation
des Erzbischofs Boll hatte sich Hug ganz zur ultramontanen Partei gewandt. Er
schloß sich den Abschaffungen der Wessenbergschen Reform an und war ein eifriger
Patron des Rosenkranzes, wenn er gleich denselben nicht betete - und des Salve re-
gina in der Münsterkirche. Schwebte ihm doch bereits in Gedanken die nie erreichte
Mitra vor,"131 Wenn Hug sich nach dem Tod von Boll 1836 ernstlich mit dem Gedanken
trug, sein Amt als Universitätsprofessor und Domkapitular gegen die mittel-
badische Pfarrei Sasbach auszutauschen,132 dann zeigt dies auch, in welcher Spannung
sich Hug selbst befand. Schreiber gegenüber erklärte er frank und frei: „Bliebe
ich an der Universität, so würden sie (Erzbischof und Domcapitel) mich als Opponenten
ansehen; sie würden mir Spionen in die Collegien schicken, mich schikani-
ren, kurz sie würden es mir gerade ebenso machen, wie man es Ihnen seither gemacht
hat."133 Und Schreiber fährt fort: „Auf diese Aeußerung hin reichte Schreiber,
seit langer Zeit wieder zum erstenmal, seinen verstimmten Collegen die Hand; erfuhr
jedoch bald darauf, daß Hug zum Geheimenrath zweiter Klasse ernannt worden,
nicht weiter an Sasbach denke und somit der Alte bleibe,"134 Ob Hug die tatsächlich
vorhandene Spannung, in der er sich als historisch-kritischer Bibelexeget befand,135
auch bisweilen auf eine menschlich zuverlässige, auch anderen Persönlichkeiten gerecht
werdende Weise bewältigte, ist eine andere Sache.

Schreiber hatte sich in jungen Jahren diesem väterlichen Gelehrten angeschlossen
und sich von diesem beeinflussen und führen lassen. Nun aber verlor Schreiber gerade
durch Hugs Verhalten seinen inneren Halt. Er war trotz erzbischöflichem
Schreiben zu keiner Rücknahme seiner umstrittenen Äußerungen bereit. Die Regierung
versuchte zu schlichten. Der erzbischöflichen Behörde erklärte diese, sie wolle
ein theologisches Gutachten über Schreibers Moral einholen. In Wirklichkeit wollte
sie Zeit gewinnen, denn unabhängig vom Ergebnis des Gutachtens sollte Schreiber
aufgefordert werden, sich jeden Angriffes „gegen das Bestehende" zu enthalten.136

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