Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 228
(PDF, 57 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1997/0228
ewigen Gelübde verworfen und den Priesterzölibat für unchristlich erklärt hatte.4
Gegen die Kritik seines Nachfolgers versuchte Schreiber nun nachzuweisen, daß der
Deutschkatholizismus eine neue, wahrere Gestalt des kirchlichen Christentums als
die römisch-katholische Kirche repräsentiere. Die „deutsch-katholische Kirche" sei
keineswegs eine separatistische Sekte, sondern eine genuine Gestalt khvhlichen
Christentums. Sie sei den bisher in Deutschland dominierenden Konfessionskirchen
überlegen, weil sie deren Wahrheitselemente in sich aufgehoben habe. In der
„deutsch-katholischen Kirche" seien die Defizite der bisherigen Konfessionskirchen

- „knechtisch-blinde Position" einerseits, „haltungslos-blindt Negation" andererseits
-überwunden und die nur „scheinbar divergirende(n) Principien" des „ächten
Katholicismus" und des „ächten Protestantismus", „das objectiv-ponirende und sub-
jectiv-negirende" Prinzip, die „Auctorität der heil. Schrift" und die „Freiheit der
christlichen Forschung zur subjectiven Ueberzeugung", konstruktiv vermittelt worden
.5 Indem die „deutsch-katholische Kirche" die dritte Konfession jenseits des bisherigen
Konfessionsgegensatzes bilde, erfülle sie den weltgeschichtlichen „Beruf,
daran mitzuwirken, daß die religiös-sittliche Aufgabe der Menschheit - als Ganzes
ein in der höchsten Auctorität Gottes und der höchsten Freiheit der Kinder Gottes
begründetes Gottesreich zu bilden" - in Deutschland „immer mehr im Geiste und in
der Wahrheit gelöset werde".6

Das Wahrheitspathos solcher Formulierungen läßt erkennen, daß Heinrich Schreiber
sich dezidiert als Theologe des Deutschkatholizismus verstand. In der Gruppe
jener römisch-katholischen Theologen, die 1845/46 ihre Kirche verließen und sich
der im Winter 1844/45 entstandenen liberalreligiösen Protest- und Separationsbewegung
der „Deutschkatholiken" anschlössen, hatte der Freiburger Gelehrte eine nahezu
singuläre Stellung. Neben dem Breslauer Theologen Anton Theiner
(1799-1860), der, nach der Priesterweihe 1823, 1824 außerordentlicher Professor
der Theologie geworden und wegen verschiedener kirchenkritischer Publikationen
1830 von seinem Lehrstuhl entfernt worden war.7 war Heinrich Schreiber der einzige

- freilich: in die Philosophische Fakultät zwangsversetzte - Universitätstheologe
unter den führenden Repräsentanten des Deutschkatholizismus.8 Schreiber sah seine
wichtigste Aufgabe darin, die neue Kirche theologisch zu rechtfertigen und Angriffe
durch Theologen der „alten" Konfessionskirchen zurückzuweisen. Die Bildung der
„deutsch-katholische(n) Kirche, wie sie zur Zeit mehr noch populär hervortritt",
werde, so hoffte Schreiber im Frühjahr 1845, auch zur Entwicklung einer „wissenschaftlichen
Theologie" des Deutschkatholizismus führen.9

Seinen Ubertritt zur neuen Kirche verstand Schreiber als eine unumgängliche
Konsequenz des theologischen Programms, das er seit dem Beginn seiner Freiburger
akademischen Lehrtätigkeit als freie Erforschung der christlichen Wahrheit zu entfalten
suchte.10 Schreibers Bruch mit der römisch-katholischen Kirche war nicht nur
kirchenpolitisch motiviert, etwa durch die Erfahrung, daß sich die „Amtskirche"
wegen des wachsenden Gewichts „ultramontaner" Kräfte von innen her nicht mehr
reformieren lasse, oder durch seine langjährigen Auseinandersetzungen mit dem
Freiburger Erzbischof. Es ging ihm vielmehr um einen theologisch begründeten
Wahrheitsanspruch: Schreiber machte gegen die kirchliche Institution ein prinzipielles
Eigenrecht freier christlicher Subjektivität geltend und betonte die Legitimität

228


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1997/0228