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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 229
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eines innerkirchlichen Frömmigkeitspluralismus. In der Tradition eines patriotischnationalen
Reformkatholizismus, wie sie in Süddeutschland primär durch Ignaz
Heinrich von Wessenberg (1774-1860) repräsentiert wurde, wollte er eine ökumenische
Nationalkirche theologisch begründen, in der die überkommene „kirchliche
Scheidewand44, die tiefste Trennung in der deutschen Nation,11 überwunden ist,
Schreiber postulierte eine national-kulturelle Indigenisation der christlichen Überlieferung
und verband damit die Hoffnung, dieses reformierte, „nationeil" verjüngte
Christentum werde eine innere, religiös-sittliche Integration der konfessionell, regional
, politisch, kulturell und sozial fragmentierten deutschen Nation bewirken
können, Sein theologischer Anspruch, die Grundwahrheiten des reinen, konfessionstranszendenten
Christentums erschlossen zu haben, war eng verbunden mit einer
offensiven Kritik am zunehmend konfessionalistischen, „ultramontanen" Katholizismus
und mit der Parteinahme für Partizipationsforderungen der politisch Liberalen.
Doch im Unterschied zu einigen anderen Vertretern des Deutschkatholizismus, bei
denen politische - teils liberale, teils demokratische und frühsozialistische - Reforminteressen
allmählich theologische und kirchenpolitische Postulate überlagerten,
blieb für den einstigen Universitätstheologen Schreiber ein deutlicher Vorrang des
Theologischen vor dem Politischen bestimmend. Mit Blick auf die Konflikte um
seine Entfernung aus der Theologischen Fakultät warf er der „kirchlichen Hierarchie
" immer wieder vor, Theologisches, Kirchliches und Politisches in unzulässiger
Weise vermischt und die christlich begründete Freiheit zu selbständiger Wahrheitssuche
einem vordergründigen kirchenpolitischen Machtkalkül aufgeopfert zu haben:
„Der beiderseitige Standpunkt war und blieb ein wesentlich verschiedener der
des Beklagten ein sittlich-wissenschaftlicher, der des Klägers ein kirchlich-politischer
."12 Schreiber selbst sah sich nicht in der Rolle eines kirchenpolitischen Kämpfers
oder gar eines frühliberalen Parteimannes, sondern deutete die ihm aufgezwungenen
Auseinandersetzungen mit der kirchlichen Hierarchie sowie seine Konversion
zum Deutschkatholizismus als Folge der elementaren Spannung zwischen akademischer
Theologie einerseits und Kirche andererseits, Sowohl in seinen theologischen
und philosophischen Publikationen als auch in seinen Gelegenheitsschriften zum
Deutschkatholizismus13 spielt diese Spannung zwischen subjektiver Wahrheitsgewißheit
des Universitätstheologen und verbindlicher Lehre der kirchlichen Institution
eine zentrale Rolle. Schreibers theologische Biographie spiegelt insoweit eine
Konfliktlage, die über das Individuelle hinaus von allgemeiner Relevanz für den modernen
Katholizismus in Deutschland ist.

L

Die Anfänge der deutschkatholischen Bewegung14 gehen auf den schlesischen Kaplan
Johannes Ronge (1813-1887) zurück. In den „Sächsischen Vaterlandsblättern"
des bekannten Demokraten Robert Blum hatte Johannes Ronge im November 1842
anonym einen kirchenkritischen Artikel veröffentlicht, in dem er der römischen
Kurie vorwarf, die Bestätigung des vom Domkapitel gewählten relativ freisinnigen4
neuen Breslauer Bischofs zu verschleppen und im Zeichen des Ultramontanismus
alle aufgeklärt-liberalen reformerischen Tendenzen im deutschen Katholizismus zu

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