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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 236
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nes vehementen Protestes gegen den in Freiburg äußerst einflußreichen Erzbischof
und die klerikal-ständische Privilegiengesellschaft blieb er - wie viele andere vormärzliche
Liberale38 - eng eingebunden in die kleine, primär lokal bzw. regional geprägte
Lebenswelt des heimischen „Mittelstandes". Als ihm verschiedene deutschkatholische
Gemeinden, unter anderem die Gemeinden in Leipzig und in Heidelberg
, anboten, eine Pfarrstelle zu übernehmen, lehnte Schreiber ab und zog es vor,
als lokalhistorisch wie lokalarchäologisch forschender Privatgelehrter in Freiburg zu
bleiben.39 So begegneten sich Ronge und Schreiber persönlich erst relativ spät, wohl
im Mai 1864.40

Heinrich Schreibers Hoffnung, der Deutschkatholizismus könne zu einer erfolgreichen
Massenbewegung werden und eine nationale Ökumene von Protestanten und
Katholiken heraufführen, eine religiöse wie nationalpolitische „Vereinigung der
Gemüter im Geiste und in der Wahrheit",41 läßt sich nur schwer noch nachvollziehen
. Doch auf dem Hintergrund der großen Anfangserfolge der deutschkatholischen
Propaganda ist diese Hoffnung nicht einfach als irreal oder utopisch abzutun. Im
Frühjahr und Frühsommer 1845 sah es, blickt man auf die damalige Tagespresse, so
aus, als könne die deutschkatholische Bewegung breite Gruppen des katholischen
städtischen „Mittelstandes" mobilisieren und auf Unterstützung wichtiger liberaler
Kräfte im Protestantismus rechnen.

Genaue Angaben über die Zahl der Mitglieder der deutschkatholischen Gemeinden
lassen sich nur eingeschränkt machen. Auch fehlen bisher präzise Überblicke
über die Zahl und Größe der Einzelgemeinden. Doch dürfte die deutschkatholische
Bewegung größer als andere vormärzliche liberale Massenbewegungen gewesen
sein. Nach den Berechnungen von Dieter Düding konnten die Turner- und die Sängerbewegung
jeweils 80 000 bis 100 000 Mitglieder rekrutieren.42 Die deutschkatholischen
Gemeinden dürften zwischen 1845 und 1851 demgegenüber zwischen
90000 und 150 000 Mitglieder gehabt haben. Die in der älteren Literatur gemachten
Angaben über die Zahl der Einzelgemeinden schwanken zwischen 25943 und 350.
Doch ist inzwischen relativ viel über die soziale Trägerschaft der Bewegung bekannt
.44. In den deutschkatholischen Gemeinden dominierten kleinbürgerliche und
unterbürgerliche Sozialgruppen: Handwerker und ihre Frauen, Kleingewerbetreibende
, Dienstmädchen und Tagelöhner. In einigen Gemeinden spielten zudem einzelne
Industrielle, Kaufleute und Angehörige des „gebildeten Mittelstandes" - Lehrer
und Lehrerinnen, Rechtsanwälte, Universitätsprofessoren, Journalisten und
Schriftsteller - eine wichtige Rolle. Insgesamt war der Deutschkatholizismus eine
Bewegung der mittleren und jüngeren Generation; die Altersgruppen zwischen 25
und 45 waren in den Gemeinden deutlich überrepräsentiert. Sylvia Paletschek hat
gezeigt, daß die deutschkatholischen Gemeinden Kristallisationskerne der vormärzlichen
Frauenbewegung bildeten.45 Von den Gemeindegliedern waren ca. 40%
Frauen, die in einzelnen Fällen auch in gemeindliche Leitungsgremien gewählt wurden
. In den deutschkatholischen und lichtfreundlichen Gemeinden engagierte
Frauen entwickelten zudem ein intensives sozialdiakonisches Engagement und gründeten
zahlreiche Frauenvereine. Vielfältige Querverbindungen gab es zudem zu den
Vereinen der Turner und Sänger, zu liberalen Hilfsvereinen sowie zu Vereinen der
frühen Arbeiterbewegung, etwa zu Arbeiterbildungsvereinen. Die Einbindung in li-

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