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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 244
(PDF, 57 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1997/0244
In Hinblick auf die spätere Konversion zum Deutschkatholizismus verdient insbesondere
der unhistorisch idealisierende und moralisierende Charakter von Schrei-
bers Kirchentheorie Beachtung. Der Freiburger Theologe und Philosoph beschreibt
die Kirche in grandiosen Bildern, die eine tiefe Sehnsucht nach einer vollkommenen
religiös-sittlichen Vergemeinschaftung der Individuen widerspiegeln. Schreiber
denkt von „der Kirche" so hoch, daß er von der empirischen Kirche immer nur enttäuscht
werden kann. Seine ideale Kirche vermag er allein in Bildern einer religiösen
Lyrik darzustellen, die von der Realität so weit entfernt ist wie der Himmel von der
Erde. „Doch ich fühle, Worte fassen das Bild der Kirche Christi nicht, wie es hell vor
meiner Seele steht, und wie es an sich ist. Daß wir es in der Erscheinung nicht so
sehen, daran ist wohl die entgegenstrebende Macht des Irdischen schuld, welche das
Himmlische so oft zurückdrängt. Daß es aber so zu werden bestimmt sei, ließ uns
Christus wenigstens ahnen ..heißt es im Schlußsatz von Schreibers Antrittsvorlesung
.73

Die Kritik der empirischen Kirche, die Schreiber in seinen theologisch-philosophischen
Vorlesungen und in seinen historischen wie theologischen Publikationen in
den dreißiger und frühen vierziger Jahren vorbringt, entspricht präzise dem Begriff
der Kirche als Anstalt zur Beförderung religiös-sittlicher Freiheit. Der hierarchisch
strukturierten Amtskirche, die eng in die feudal-ständische Priviliegenwelt eingebunden
ist, wirft Schreiber vor, das Wesen der Kirche zu pervertieren, die „Menschenwürde
" zu verletzen und Strukturen der Unterdrückung aufrechtzuerhalten.
Schreiber verweist dabei auf klassische Themen der Kritik an der römisch-katholischen
Kirche: den Zölibat, die Herrschaft der Kleriker über die Laien, die kirchlichen
Adelsprivilegien, den biblisch illegitimen Papstprimat, die Abhängigkeit der
Theologie von der kirchlichen Institution, die Stigmatisierung der Protestanten zu
Häretikern oder Christen zweiter Klasse, das Bildungsdefizit des katholischen Klerus
, die Unterdrückung religiöser Meinungs- und Gewissensfreiheit in der Kirche,
das Fehlen synodaler Mitbestimmung der Laien. Keines seiner kirchenreformeri-
schen Postulate ist originell.74 Sie entsprechen alten Reformtraditionen und lassen
sich auch als kirchenspezifische Konkretionen von Grundforderungen des politischen
Frühliberalismus lesen: der Ruf nach Synoden als Forderung nach Parlamentarisierung
der Kirche, die Kritik der Hierarchie als Absage an eine ständisch strukturierte
Gesellschaft von Willkür und Privilegien, der Kampf für die Selbständigkeit
der Theologie gegenüber der Kirche als Eintreten für die Autonomie der Wissenschaft
etc. Eine bemerkenswerte Eigenständigkeit zeigt sich aber in der theologischen
Begründung seiner Kritik kirchlicher Mißstände: Konsequent argumentiert
Schreiber vom theologisch gefaßten Begriff der „Menschenwürde" her. Es geht ihm
weniger um einzelne Mißstände - deshalb verweist er auch nicht auf strukturell entsprechende
verfassungspolitische Reformpostulate-als um den generellen Vorwurf,
daß in der Kirche der Hierarchie fortwährend elementare „Menschenrechte" verletzt
und aus vordergründigen „kirchlich-politischen" Zwecken, etwa um des Erhalts der
Privilegien der Kleriker willen, inhumane, christlicher Autonomie widersprechende
Einrichtungen und Gebräuche konserviert würden.

Durch diese theologische Begründung gewinnt Schreibers Kirchenkritik zunehmend
schärfere Züge. Die Anklagen, die der Erzbischof gegen ihn vorbringt, und die


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