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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 245
(PDF, 57 MB)
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vielfältigen Versuche zur Einschränkung seiner Lehrtätigkeit kann Schreiber in seinen
„cognitive maps" nur so deuten, daß die Kirche zur Institution der Sünde pervertiert
sei. Denn fortwährend verrate sie ihre ideale Bestimmung. Sie verletze in ihrer
Unterdrückung freier theologischer Forschung und Lehre das christlich-sittliche
Prinzip der Selbstgesetzgebung. Sie wolle den Theologen, der doch, wie jeder
Mensch, sein Selbst mit seinem Ich in harmonische Ubereinstimmung bringen soll,
zu Lüge, Verdunkelung der erkannten Wahrheit, politischen Rücksichtnahmen und
Doppelmoral zwingen. Zur progressiven Realisierung des Gottesreiches berufen, behindere
sie die allen Menschen aufgetragene moralische Annäherung an das göttliche
Urbild der Freiheit. In ihrer zunehmenden ultramontanen Orientierung unterdrücke
sie zudem das christlich legitime Freiheitsstreben der Völker, ihre je besonderen, individuellen
Gestaltungen moralisch-kultureller Annäherung an das Reich Gottes.

Verfehlt die Kirche ihren spezifischen Beruf und gibt die Grundprinzipien des
Christlichen preis, kommt der akademischen Theologie eine besondere Verantwortung
für die Tradierung der christlichen Wahrheit zu. Pathetisch betont Schreiber die
christlich-kulturelle Verantwortung des Theologen und Morallehrers. Zwar scheint
er sich von tagespolitischen Auseinandersetzungen weithin fern gehalten zu haben75
und hat nach dem Übertritt zum Deutschkatholizismus die teils liberalen, teils demokratischen
bzw. frühsozialistischen Tendenzen zur Politisierung der „neuen Kirche
" vielfältig kritisiert.76 Aber darin spiegelt sich nur die Hochschätzung der wahren
Kirche als des Subjekts moralisch-kulturellen Fortschritts, Die Kirche soll einer
fragmentierten Gesellschaft innere Einheit, Frieden, Versöhnung bringen. Deshalb
muß sie alle politischen, kulturellen und sozialen Fragmentierungen übergreifen und
vor allem auch die überkommenen konfessionellen Antagonismen in sich aufheben.
Ihre historisch-politische Mission erfüllt sie gerade dadurch, daß sie die Bildung der
Nation als eines organischen Kollektivsubjekts moralischen Fortschritts in die Wege
leitet. Denn nur die „Nationalitäten, diese göttlichen Grundzeichnungen (Grundtypen
) zu der Menschheit",77 könnten den Fortschritt der Menschheit zum Reiche
Gottes hin in Szene setzen. „Jede Nation hat ... ihr eigenthümliches religiös-sittliches
Bewußtsein ihren eigenthümlich aufgefaßten und dargestellten Glauben."78
Die Nationen haben insoweit eine eigene „religiös-sittliche Bedeutung", sie sollen
im Sinne „religiös-sittlicher lebendiger Organismen, nicht bloß als todter Conglo-
merate von einzelnen oder für sich unselbständiger Theile des Allgemeinen",79 die
noch atomistisch vereinzelten Individuen zu einem einheitlichen sittlichen Handlungssubjekt
vergemeinschaften. Dazu bedarf es aber unumgänglich einer Kirche
der nationalen Ökumene, in der die alten Gegensätze von Protestanten und Katholiken
in einem „ächten Deutschthum" aufgehoben sind, „das richtig aufgefaßt, zugleich
auch das echt-menschliche und christliche Wesen (Menschenthum und Christenthum
, Humanität und Christianismus) in sich begreift".80 Wenn diese Überwindung
der alten christlich-konfessionellen Antagonismen durchgeführt ist - von der
jüdischen Minderheit ist, kennzeichnend genug, in Schreibers zwei Programmschriften
zum Deutschkatholizismus nirgends die Rede - läßt sich zwischen Kirche
und Nation nicht mehr sinnvoll unterscheiden. Denn indem die innere Einheit der
Nation über die national spezifisch indigenisierte christliche Tradition, die deutschsittliche
Konkretion des Christlichen definiert wird, sind alle Bürger des National-


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