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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 321
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1997/0321
auf? Alle Feinde der volkstümlichen Institutionen, selbst die ärgsten Volksverräter
waren in ihre Hand gegeben. Und was tat unsere provisorische Regierung? Sie verfuhr
mit großer Milde! Hätten unsere Regierungsmänner nach der Revolution 1849
auch dieses Panier der Milde aufgesteckt und, ich will nicht sagen, eine alles, sondern
nur eine weit umfassende Amnestie erteilt, dann wäre gewiß auf lange Zeit die
Ruhe wiedergekehrt. Was taten sie aber, als sie wieder ans Ruder kamen? Die himmelschreienden
Ermordungen unseres Tiedemanns,90 Trützschler,91 Biedenfeld92
und sovieler anderer edler Volksmänner, die vollgepfropften Zuchthäuser, Gefängnistürme
und Mordkeller, die vielen unglücklichen, ihrer Stützen beraubten Familien
, die Unzahl der Verbannten, die immerwährend fortgesetzten Verhaftungen,
Spionagen und Verfolgungen der Polizei gegen freisinnig denkende Männer, die
rohen Gewalttaten einer jetzt mehr als je verhetzten Soldateska und ein wahrscheinlich
auf die ganze Dauer unserer Regierung fortgesetzt verlängerter Kriegszustand:
Das sind die Zeugen für die Taten der roten Monarchisten, In letzter Zeit spielen
auch die Mazzinischen Lose eine ungeheure Rolle in unserem Polizeistaat,93 Der
hiesige Engelwirt Mautz ist deshalb zu ^jährlicher Zuchthausstrafe verurteilt und
sogleich abgeführt worden. Uber den Brauer Schlageter aus Brombach ist deshalb
auch Kriegsgefangenschaft ausgesprochen (worden), Koger von Otlingen94 weiß
ebenfalls nicht, (in) welchem Augenblick er abgeführt wird. Beim edlen alten Mit-
termaier in Heidelberg95 wurde deshalb die strengste Hausuntersuchung vorgenom-

90 Der vormals badische Offizier Gustav Nikolaus Tiedemann (1808 1849), der die griechische
Kriegsschule in Piräus geleitet hatte, war 1849 zurückgekehrt, um ein Kommando in der revolu
tionären badischen Armee unter Mieroslawski zu übernehmen. Als Kommandant der Festung Rastatt
wurde er nach deren Fall standrechtlich verurteilt und erschossen. Sein Bruder Heinrich
(1811 1895) war mit einer Schwester Friedrich Heckers verheiratet und 1849 Abgeordneter in der
Verfassunggebenden Versammlung Badens. Er mußte fliehen und ließ sich als Arzt in Philadelphia,
Pa. nieder. Vgl. Bauer (wie Anm. 41) S. 351 f. / Wittke (wie Anm. 41) S. 100 ff., 253,291 f., 331/
Badische Biographien, hg. von Friedrich v. Weech, Bd. II, 1875, S. 358-359.

91 Der sächsische Gerichtsassessor Wilhelm Adolph Trützschler (1818 1849) war Mitglied der Deut
sehen Nationalversammlung in Frankfurt. 1849 beteiligte er sich führend am badischen Volksauf
stand. Nach dessen Niederschlagung wurde er von einem preußischen Standgericht zum Tode verur
teilt und erschossen. Vgl. Bauer (wie Anm. 41) S. 352 f. / Koch (wie Anm. 81) S. 404.

92 Der badische Oberst Ernst Gustav Freiherr v. Biedenfeld hatte sich 1849 mit seinem in Rastatt lie
genden Regiment den Revolutionären angeschlossen. Nach dem Fall der Festung wurde er durch ein
Standgericht zum Tode verurteilt und erschossen. Vgl. Real (wie Anm. 58) S. 165.

93 Von Genf aus wurden 1851 „die Demokraten Deutschlands" aufgefordert, sich an einer „Lotterie der
europäischen Demokratie zugunsten ihrer verbannten Mitbürger" durch Kauf oder Ausbietung von
Losen zu beteiligen. In Baden wie auch anderswo wurden die Lotterie und die Beteiligung daran
streng verboten, da man als Drahtzieher eine weitverbreitete revolutionäre Verbindung mit sozialdemokratischen
Tendenzen vermutete. Die Bezeichnung „Mazzinische Lose" verweist auf den italie
nischen Republikaner Giuseppe Mazzini (1805-1872), den Begründer eines Geheimbundes „Junges
Europa" (1834) und eines „Europäischen demokratischen Komitees". Vgl. Scholz (wie Anm. 85)
S.346 357.

94 Der Gemeinderat Koger von Ötlingen (heute Stadtteil von Weil a. Rh.) gehörte zu den badischen
Kommunalpolitikern, die sich während der Revolution verdächtig gemacht hatten. Er wurde deswe
gen 1849 aus seinem Amt entlassen. Vgl. Scholz (wie Anm. 85) S. 131.

95 Der Juraprofessor Dr. Karl Josef Anton Mittermaier (1787-1867) war 1831 1840 / 1846-1849 Ab
geordneter in der Zweiten Kammer des Badischen Landtags und seit 1833 deren Präsident. 1848/49
gehörte er der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt an. Vgl. Koch (wie Anm. 81) S. 287 /
Weech (wie Anm. 90) S. 80-87.

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