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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 121
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1999/0123
Die Gaststube als Lesekabinett

Doch nicht nur zum Trinken gingen die Badener jener Tage ins Wirtshaus. Im Sommer
des Jahres 1845 zeigte man sich im Innenministerium äußerst alarmiert über die
„Alltagsleserei", die sich allenthalben ausbreite. Durch attraktiv aufgemachte Zeitungen
mit Unterhaltungsbeilagen werde „eine müßige Leselust und Angewöhnung
an die Politik der Schenken unter die Landleute gebracht [...], welche nur störend
auf deren, zunächst ihrem Beruf zugewendeten, gesunden Sinn einwirkt". Die so
verbreiteten Ideen könnten der Regierung später „Unannehmlichkeiten bereiten".62
Schon einige Monate vorher war dem bereits zitierten Franz Joseph Büß bei einem
mehrtägigen Ausflug „der Wein zu Essig" geworden, denn die „helle Verständigkeit
" der Bewohner des hohen Schwarzwaldes sei in Verfall geraten: „Wo ich in ein
Wirtshaus trat - überall die Zeitungen der Lüge, der baarsten Leichtfertigkeit und
Auflösung."63 Aus dem Kontext64 läßt sich schließen, daß er insbesondere die in
Freiburg erscheinende Oberrheinische Zeitung meinte, die in jener Zeit eine wachsende
Leserschaft auf dem Lande gewann, wohingegen die Auflage der eher regierungsnahen
Freiburger Zeitung in den Jahren vor der Revolution rapide zurückging
.65 In einer „aus dem badischen Oberland" eingesandten Polemik hieß es im
April 1848 sogar, daß man die Freiburger Zeitung „fast gar nicht zu Gesicht bekommt
".66 Sie fehlte auch im Sortiment der Lesegesellschaften in Malterdingen und
Neustadt, wo dagegen unter anderem die Mannheimer Abendzeitung auslag.67 Im
Fall des um die Jahreswende 1848/49 erstmals erscheinenden Volksführers läßt sich
die Funktion von Wirtshäusern als Diskussionsforum für geschriebene Informationen
sogar im Einzelnen nachvollziehen. Die Redaktion hatte ihre Zielgruppe wie
folgt definiert: „Der Volksführer ist entschieden demokratisch, ein Blatt, durch faßliche
Darstellung besonders für das Landvolk geeignet, welches die größeren Zeitungen
nicht liest, und daher besonders den Lokalen zu empfehlen, welche starken
Zuspruch von Landleuten haben."68 Eine erste Ubersicht zeigt, daß diese Werbung
auf fruchtbaren Boden fiel Unter den insgesamt 1818 69 namentlich bekannten badischen
Abonnenten lassen sich mehr als ein Viertel (457) eindeutig als Gastwirte
identifizieren. Zusammen mit den 57 Bierbrauern machen sie sogar 28,3 % aller
Abonnenten aus. In Freiburg wurden sogar 14 von 32 Exemplaren durch Wirte bzw.
Brauer bezogen und in den Bezirksämtern Breisach, Emmendingen, Freiburg, Ken-
zingen, Neustadt, Staufen und Waldkirch betrieben über 80 von 307 Abonnenten
eine Wirtschaft.70 Ein Beispiel aus Bleibach zeigt allerdings, daß sogar ansonsten
regierungsfreundlich eingestellte Wirte das Oppositionsblatt hielten, so daß die
Abonnentenlisten nicht in jedem Fall auf politische Einstellungen rückschließen
lassen.71

Wenn ein Lokal als Tagungsort für politische Vereine diente, dürfte dies für die
Haltung des Betreibers wohl aussagekräftiger sein. Im Gebiet des heutigen Landkreises
Emmendingen tagten indessen viele Volks- bzw. Märzvereine in Schul» bzw.
Rathäusern, obwohl Wirte führende Positionen einnahmen. Dies war außer in Tenin-
gen auch der Fall in Bötzingen, Denzlingen und Waldkirch. In Eichstetten diente die
im Rathaus befindliche „Stube6* als Sitzungssaal und nicht das von Friedrich Trümmer
betriebene Adlerwirtshaus, wo sich bereits im Herbst des Jahres 1842 rund

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