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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 123
(PDF, 32 MB)
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eignisse darauf aufmerksam, daß nicht alle Beteiligten marginale Existenzen waren
und die Vorkommnisse eher „an einer Schnittstelle zwischen traditioneller Festkultur
und politischem Protest'4 anzusiedeln seien,77

Im Nachhinein konnten auch des Hochverrats Angeklagte ein Interesse daran
haben, die eigene Trunkenheit bei der strafrechtlichen Bewertung ihrer Handlungen
zu berücksichtigen. Eine Durchsicht von Verteidigungsschriften aus dem Breisgau
ergab jedoch erstaunlich wenige einschlägige Fälle. Unter ihnen ist der Bäckermeister
Leopold Stöckle von Orschweier. Er fand allerdings keinen Glauben, als er sich
in der Rekursverhandlung auf seinen Alkoholkonsum berief. Auf den Vorwurf, er
habe am L Juli 1849 die Verhaftung des gegenrevolutionären Kronenwirts Liebmann
Weil veranlaßt, gab er zu Protokoll, nur seine „damalige Trunkenheit" könne ihn zu
den inkriminierten martialischen Äußerungen veranlaßt haben, an die er sich nicht
mehr erinnere. Dies erschien den Richtern jedoch unglaubwürdig, da „wenn des Rekurrenten
Benehmen auf eine bedeutende Trunkenheit hätte schließen lassen, doch
wenigstens einer oder der andere Zeuge im Falle gewesen sein müßte, darüber eine
Beobachtung und bei seiner Einvernahme davon Erwähnung zu machen".78 Aus diesem
Vermerk in den Entscheidungsgründen läßt sich schließen, daß die Richter seinerzeit
durchaus geneigt waren, Alkoholkonsum als einen mildernden Umstand zu
berücksichtigen, obwohl das badische Strafrecht dies in Anlehnung an die überlieferte
Rechtsauffassung79 eigentlich nicht vorsah.

Der Landwirt Joseph Benedikt Schumacher aus Schlatt, dem vorgeworfen wurde,
aus dem Volksführer vermeintliche Siege der Revolutionsarmee verkündet zu haben,
brachte vor, bei einer seiner revolutionären Reden im Zug betrunken gewesen zu
sein, was ihm jedoch keinen Strafnachlaß bescherte.80 Der Schneider Adam Meixel
aus Ettenheimmünster hatte dagegen mehr Glück. Obwohl er eingestand, im Mai
1849 an einer gewaltsamen Rekrutenaushebung beteiligt gewesen zu sein, wurde er
- vornehmlich aufgrund seiner damaligen Trunkenheit - vom Hofgericht klagfrei gestellt
; im Gegensatz zu seinen Mitangeklagten, die jeweils eine einjährige Haftstrafe
antreten mußten.81

Alkohol und militärische Aktionen

Wie kaum ein anderes Feld der Geschichtsschreibung veranlaßte die traditionelle
Militärgeschichte ihre Autoren zur Schwarz-Weiß-Malerei, ging es doch immer
darum, die mustergültige Zucht und Ordnung in den eigenen Reihen mit den Exzessen
der Gegenseite zu kontrastieren. Und doch war den Befehlshabern klar, daß die
ausgetrocknete Soldatenkehle ein potentielles Einfallstor für demokratische Verführungskünste
darstellte. Über die Berliner Märzereignisse heißt es im Bericht
eines Offiziers, die Aufrührer „näherten sich ihnen [den Soldaten] stets mit Lebensmitteln
und Getränken, besonders mit Branntwein", Selbst Karl Gustav von
Grießheim warnte in seiner berühmt-berüchtigten halboffiziellen Flugschrift Gegen
Demokraten helfen nur Soldaten die Mannschafteil, sich von den Revolutionären
nicht einzeln „durch ihre Waffen, Cigarren, Schnaps und Bier, entwaffnen [zuj lassen
".82 Die Bevölkerung des badischen Seekreises war im Juli 1848 bei der Wirtshausagitation
bayerischer Soldaten derart erfolgreich, daß ein Offizier aus Angst vor

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