Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 124
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1999/0126
massenhaften Desertionen um baldigen Abzug seiner Einheit bat.83 Ob das bereits
erwähnte gute Bier des Seekreises oder härtere Getränke zur Aufweichung der Truppenzucht
führten, ist allerdings nicht überliefert.

_ »•

Der im Mai 1849 erfolgte Ubertritt fast der gesamten badischen Streitkräfte
brachte militärische Kommentatoren in einen besonderen Erklärungsnotstand und
wirkte auch für nichtbadische Militärs traumatisierend.84 Uber den Freiburger Militäraufstand
vom IL Mai 1849 berichtete der preußische Offizier Staroste später:
„Trunken durch das von den Bürgern verabreichte 'Freibier'durchzogen sie [die aufständischen
Soldaten] die Straßen der Stadt, in welcher nun bald die Zuchtlosigkeit
überhand nahm." Die „besten Saufkameraden44 seien folgerichtig zu Offizieren gewählt
worden und über die Freischaren weiß Staroste zu berichten: „Ein treues Bild
von Wallensteins Lager; überall verwilderte, räuberähnliche Gestalten, die sich unter
zuchtloser Roheit in Singen, Trinken, Schießen, Lärmen und Toben auf den Straßen
so lange herumtrieben, bis sie ermattet niedersanken."85 Eine in derart düsteren Farben
gemalte Zuchtlosigkeit diente nicht nur dazu, den Gegner zu verunglimpfen,
sondern reduzierte auch die politische Dimension des Revolutionsgeschehens. Und
doch ließ sich das Bild nicht konsequent durchhalten, denn in der Nähe von Gefechten
fand selbst Staroste keine betrunkenen Gegner mehr. Ob ein hochprozentiges
Aufputschmittel den Ausgang des Aufstandes beeinflußt hätte, ist jedoch sehr zu bezweifeln
: Sich nur mit Sensen bewaffnet einer gut ausgerüsteten Armee gegenüberzusehen
, wäre vermutlich auch für die tapfersten Streiter genug der Ernüchterung
gewesen...

In den Rechtfertigungsschriften der Hauptbeteiligten von 1848/49 geht es ausgesprochen
nüchtern zu. So betont Friedrich Hecker ausdrücklich, daß während seines
Zuges besonders auf Ordnung geachtet und „übermäßiges Trinken nicht geduldet"
wurde. Einmal sei sogar „ein Wehrmann, welcher sich betrunken hatte [...] entwaffnet
und von der Kolonne fortgejagt" worden. Der legendäre Freischarenführer erwähnt
zudem, daß er seinen Männern in der Gegend von Steinen mehrfach die Annahme
von Wein, Brot und anderen Nahrungsmitteln verwehrt habe,86 was natürlich
im Gegensatz zu den Darstellungen der Gegenseite steht. Doch nicht immer steigerte
Alkoholkonsum die Kampflust, wie verschiedene Vorfälle zeigen. Selbst die Staatsanwaltschaft
hielt es nach dem Heckerzug beispielsweise für erwiesen, „daß die von
Obersimonswald abgezogene bewaffnete Schaar nur eine Stunde weit marschirte,
dann in einem Wirthshaus sitzen blieb, und Abends wieder heimkehrte, ohne eine
Ungesetzlichkeit verübt zu haben".87 Nach der Mairevolution versicherte Hauptlehrer
Wenk von Untermünstertal durchaus glaubwürdig, er habe die von ihm befehligte
Exekutionsmannschaft erst einmal in einem Bierhaus versammelt, um den zu ergreifenden
Wehrpflichtigen die Flucht zu ermöglichen.88 Und auch Staroste berichtet
über den Abend des 13, Mai, daß in Offenburg die Massen „vom übermäßigen Trinken
ermattet" gewesen seien, wodurch sich die Lage entspannt habe.89

Fazit: Eine verhinderte „Bier-Republik"?

Die Frage nach dem zweckdienlichsten Getränk für erfolgreiche Staatsumwälzungen
muß weiter offen bleiben, denn weinselig war man 1848/49 nicht einmal im

124


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1999/0126