Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 212
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1999/0214
meinschaft" schütze, um sie so enger zusammenzuschweißen. Hinter der Propaganda stand die
Drohung, jede Abweichung vom vorgegebenen Weg mit dem Tode zu bestrafen,

Die meisten Verurteilten stammten aus der Unterschicht, sehr viele waren Ausländer, vor
allem Zwangsarbeiten Auch wenn die Freiburger Richter und Staatsanwälte versuchten, gewisse
Verfahrensnormen einzuhalten, und sich nicht unbedingt den Vorstellungen höheren
Orts über beschleunigte Abwicklungen beugten, ordneten sie sich doch den nationalsozialistischen
Rechtsanschauungen unter und nutzten oft die Gelegenheit, ihren eigenen Moralauffassungen
Geltung zu verschaffen. Bezeichnend ist die Sprache der Juristen, wenn etwa der „Unwert
" einer Persönlichkeit diese zum „Volksschädling" macht, der „ausgemerzt" werden
müsse.

Herr Hensle schildert die einzelnen „Fälle" ausführlich, läßt durch Quellenzitate das Denken
und.die Argumentationsweise der Juristen hervortreten und ordnet die Tätigkeit des Sondergerichts
, unter angemessener Auswertung der Forschungsliteratur, in das nationalsozialistische
Herrschaftssystem ein. Ein bedrückendes Kapitel deutscher Justizgeschichte wird sichtbar
. Aus der Sicht des NS-Regimes drückte sich in den Taten der Beschuldigten eine
Ablehnung des Staates und seiner Grundsätze aus; deshalb mußten sie verfolgt werden. Insofern
plädiert Herr Hensle dafür, das Verhalten dieser Menschen in den meisten Fällen als
Widerstand zu bezeichnen, auch wenn es ihnen selbst wohl nicht bewußt gewesen ist. Fernab
von solchen prinzipiellen Überlegungen sind die Todesurteile zuerst einmal „Zeugnisse einer
gnadenlosen Ahndung selbst geringfügiger Vergehen" (S. 182). Heiko Haumann

Käthe Vordtriede: „Mir ist es noch wie ein Traum, dass mir diese abenteuerliche Flucht gelang
..." Briefe nach 1933 aus Freiburg im Breisgau, Frauenfeld und New York an ihren Sohn
Werner. Hg, von Manfred Bosch, Libelle Verlag, Lengwil 1998.400 S.

Einen Glücksfund machte Manfred Bosch, als er 1996 - nach einer längeren Vorgeschichte -
im Marbacher Literaturarchiv auf 150 Briefe Käthe Vordtrieders stieß, die sie an ihren Sohn
geschrieben hatte und jetzt Teil seines Nachlasses sind. Werner Vordtriede, zuletzt Germanistikprofessor
in München, war schon 1933 emigriert, zunächst in die Schweiz, dann in die
USA, und seine Mutter berichtete ihm in seltener Klarheit über die Verhältnisse, wie sie sie
seitdem erfuhr, Briefe dieser Art stellen neben Tagebüchern wohl die unmittelbarsten Zeugnisse
historischer Vorgänge dar. Manfred Bosch erschließt seine Auswahl den Leserinnen und
Lesern mit informativen Anmerkungen, einem die Zusammenhänge erhellenden Nachwort
und einem Personenregister.

Käthe Vordtriede, 1891 in Hannover geboren, war in doppelter Weise in der NS-Zeit bedroht
: als Jüdin und als Sozialdemokratin. Nach der Trennung von ihrem Mann hatte sie mit
ihren zwei Kindern - neben Werner die Tochter Fränze, die 1935 als promovierte Anglistin
nach England emigrieren sollte - 1922 Todtmoos und ein Jahr später Freiburg als neuen Wohnort
gewählt. Hier wurde sie 1925 Redakteurin der sozialdemokratischen „Volkswacht" und
übernahm auch sonst viele Parteiaufgaben. 1933 wurde die Zeitung verboten und Käthe Vordtriede
wegen „staatsfeindlicher Äußerungen" für drei Wochen in „Schutzhaft" genommen,
Anschließend mußte sie sich unter widrigen Umständen durchschlagen, etwa mit „Sunlicht-
propaganda" (S. 27, 16.5.1933). Die Nazis machten sie wieder zur Jüdin - ihr Vater war bereits
konvertiert und sie selbst getauft. „Nie haben wir uns freilich als Juden gefühlt, erst von
jetzt ab (...) werden wir stets sagen, dass wir Juden sind" (S. 45, 11.11.1933). Präzise schildert
sie ihrem Sohn die Maßnahmen der neuen Herren, die Brutalitäten gegen Andersdenkende
, den Opportunismus vieler Bekannter. Nachdrücklich rät sie ihrem Sohn, nicht wieder
nach Deutschland zurückzukehren. Eindringlich beschreibt sie die sozialen und wirtschaftlichen
Zustände, ebenso die Verarmung des kulturellen Lebens. Immer wieder schimmern ihr

212


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1999/0214