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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 137
(PDF, 59 MB)
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gen der nächsten Jahre. Auch Mathematik-Nachhilfe gab er für Schüler. Dennoch
reichte das Geld hinten und vorne nicht. „Ich hatte Stiefel, das waren noch Stiefel
für das Pilzesuchen, hohe russische Stiefel, die waren abgetragen, also die Sohlen,
die hielten nicht mehr. Da kaufte ich mir Galoschen, so Gummischuhe, habe sie
übergezogen und ging dann also im Sommer und im Winter in diesen Stiefeln mit
Gummischuhen. Ich hatte keine anderen."

Immerhin wurde Simeon 1939 zum Studium zugelassen und erhielt sogar ein Stipendium
, das allerdings die Nebenarbeit nicht überflüssig machte. Sein Studienfach
wählen durfte er nicht. Mathematik war ebenso aussichtslos wie Eisenbahntransportwesen
, um das er sich bewarb. Überall wurde er als „Feind des Volkes" abgewiesen
, denn dass sein Vater verhaftet war - mehr wusste er ja noch nicht -, stand
in allen Dokumenten. Endlich wurde er der Forstwissenschaft zugeteilt, an die er
früher nie gedacht hatte. Aber hier brauchte man noch Studenten. Offenbar wurde
dieses Studium als politisch bedeutungslos eingestuft: „Die Leute kamen ja sowieso
nach Sibirien in den Wald zum Holzfällen." Ob auch die frühere Tätigkeit des Vaters
für den Holz-Konzern bei den Überlegungen der Behörde eine Rolle gespielt
hatte? Abschließen konnte Simeon das Studium zunächst nicht: Der deutsche Überfall
auf die Sowjetunion kam dazwischen. Am 25. August 1941 ging es an die Front,
und im August 1946 wurde er wieder aus der Armee entlassen - als Soldat, der mehr
als drei Wunden hatte, als Offizier ohne eigentliche Ausbildung und als Student ohne
Abschluss. Er kam an die Forstakademie zurück. Um Praxiserfahrung zu gewinnen,
arbeitete er in Sibirien, projektierte dort eine Eisenbahn für den Holztransport -
dafür erhielt er 2000 Rubel, viel Geld in dieser Zeit - und schrieb 1949 seine
Diplomarbeit über die mechanisierte Verarbeitung des Holzes in einem Forstbetrieb
in den bergigen Gebieten Ostsibiriens.

Zu dieser Zeit war er schon verheiratet. Seine Frau Nadja hatte er als Mädchen in
der achten Klasse kennen gelernt, als er 1937 auf eine russische Schule überwechseln
musste. Während des Krieges lebte sie in Leningrad und musste unter entsetzlichen
Bedingungen die 900 Tage Blockade durch die deutschen Truppen erdulden.
Hunderttausende verhungerten oder erfroren damals. Als Simeon Dmitrewski aus
der Armee entlassen worden war, heirateten die beiden 1946. Nach dem Examen
wurde Simeon nach Krasnojarsk am Jenissei, im Zentrum Sibiriens, an das Forsttechnische
Institut, das Forstingenieure ausbildete, abkommandiert. Als das Ehepaar
dort ankam, begann Nadja zu weinen: Sie sah sich als eine Dekabristen-Frau, als die
Frau eines Verbannten.44 Sie arbeitete dann als Russisch-Lehrerin, fühlte sich aber
nie so wohl wie in Leningrad. Anfangs waren die Lebensverhältnisse auch schlimm:
Sie mussten in einer Waschküche wohnen, in die gefrorene Bretter auf den Betonboden
gelegt, ein gusseiserner Ofen sowie zwei Betten mit Matratzen aufgestellt
wurden - das war die ganze Einrichtung. Wenn sie heizten, war der Raum voller
Dampf, erlosch das Feuer, überzog sich der Boden schnell wieder mit Eis.

Anders Simeon. Ihm gefielen die Natur in Sibirien und auch die Menschen: „Sie
sind einfach, sie sind nicht so schlau wie die Großstädter." Nach zehn Jahren erhielt
er einen Lehrstuhl am Institut, wurde dann jedoch vom Volkswirtschaftsrat versetzt
und zum Direktor des sibirischen Forstwissenschaftlichen Institutes ernannt. Dort
arbeitete er fünf Jahre, bis er Ende 1966 durch das Ministerium für Forstindustrie an

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