Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 138
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2001/0138
das zentrale Forschungsinstitut der Forstindustrie in Chimki - einer Vorstadt Moskaus
- berufen wurde. Er hatte sich um die Versetzung bemüht, weil seine Frau und
seine Tochter Natascha an der Schilddrüse erkrankt waren und die Ärzte dies auf das
fehlende Jod im Wasser des Jenisseis zurückführten. Drei Jahre lang leitete er eine
neu eingerichtete Abteilung, die sich mit der Verbesserung der Arbeitsorganisation
beschäftigte. Anschließend wurde er Direktor des Verlages der Forstindustrie, und
von 1974 bis 1991 hatte er einen Lehrstuhl am Institut für die Weiterbildung der leitenden
Kader der Forstindustrie inne. „Und dann wurde ich 70, und dann habe ich
gesagt, jetzt wär's doch genug."

Nach schwierigen Anfängen als Sohn eines „Volksfeindes" konnte er also doch
noch „Karriere" machen, vor allem in Sibirien fühlte er sich zufrieden und empfand
Genugtuung. Der Durchbruch kam nach seiner Meinung unter Chruschtschow mit
dem ersten Anlauf einer „Entstalinisierung" und mit dessen Reformversuchen. Die
gesamte Leitung in Industrie und Landwirtschaft wurde umgestellt, regionale Volkswirtschaftsräte
- wie jener in Sibirien - sollten die Querverbindungen in der Wirtschaft
sicherstellen und die bisherige hierarchische Überzentralisierung ersetzen.
Um der Partei mehr Kompetenz zu verleihen, setzte Chruschtschow besondere Abteilungen
für Industrie und Landwirtschaft durch. Der neue Typus des Funktionärs
sollte Betriebsleiterqualitäten und politische Führungskraft in einem besitzen. Auch
Alexei N. Kossygin (1904-1980), Ministerpräsident von 1964 bis 1980, war bestrebt
, mit seinen Reformen des Planwesens und der Finanzierung die Organisation
der Wirtschaft zu verbessern. Nach ersten Erfolgen scheiterten beide - vor allem am
Widerstand der Bürokratie, die die Gesetze nur halbherzig ausführte oder gar
blockierte. Dieses Strukturproblem konnte auch Gorbatschow nicht lösen und war
eine der Hauptursachen für den Zusammenbruch der Sowjetunion.45

Einen wesentlichen Grund dafür, dass diese Blockade nicht durchbrochen werden
konnte, sieht Simeon Dmitrewski in der Prägung mehrerer Generationen durch den
Stalinismus, durch ein System, das absoluten Gehorsam verlangte und keine Eigeninitiative
zuließ. Jetzt gebe es Initiativen von unten, aber sie würden viel zu wenig
„von oben" unterstützt - das sei der Hauptfehler der neuen Regierung. Vieles sei
beim Alten geblieben. Und er bringt ein Beispiel: In der Ukraine wird Holz benötigt
für die Absicherung der Stollen in den Kohlegruben. In Russland ist Holz geschlagen
worden, um es dorthin zu liefern. Aber die Regierungen schaffen es nicht, eine
zwischenstaatliche Vereinbarung abzuschließen, und die Betriebe dürfen, allen öffentlichen
Äußerungen zum Trotz, immer noch nicht völlig selbständig handeln. So
bleibt das Holz liegen und verfault. Oder in Sibirien: der Raubbau am Wald, nicht
zuletzt durch devisenbringende Verträge mit Japan, zerstört die Natur, vernichtet den
Lebensraum für viele Tiere und zugleich für die dort lebenden Völker. „Es ist ein
Verbrechen." Trotzdem ist Simeon Dmitrewski Optimist: Es werde wieder Ordnung
geschaffen und eine demokratische Marktwirtschaft kommen. Allerdings müssten
die Menschen auch sehen, dass es besser werde. Man habe zwar ein reichhaltigeres
Angebot als in früheren Zeiten, könne es aber nicht bezahlen. Die Inflation mache
alle Fortschritte bei Löhnen und Renten wieder zunichte. Immer mehr Menschen
lebten in Armut.

Auch die Familie Dmitrewski bleibt von den wirtschaftlichen Problemen nicht

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