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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 170
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Unterschied zu Frankreich sah sich Baden veranlasst, die traditionelle geistliche
Schulaufsicht und das geistliche Lehrerprivileg zu erhalten - und zwar aus gutem
Grund: „Da ... die meisten Stellen mit Geistlichen besetzt sind, und es stets werden
bleiben müssen, weil dieser Stand durch seine Vorbereitung die zweckmäßigste Ausbildung
zu den Lehrstellen in sich vereinigt."7 Die prekären Konfessionsverhältnisse
ließen es in Baden zudem geraten erscheinen, bei der geistlichen Schulaufsicht auf
eine strenge Parität zwischen den Konfessionen zu achten. Dies führte wiederum zu
komplizierten Behördenorganisationen und Geschäftsgängen: In dem 1836 gegründeten
„Oberstudienrat" beispielsweise, einer Karlsruher Zentralbehörde, die die
Dienst- und Fachaufsicht über die badischen Mittelschulen ausübte, wechselte der
Vorsitz regelmäßig zwischen Geistlichen beider Konfessionen.

1814 und damit ein knappes Jahr nach Badens schnellem Frontwechsel zu den
Siegern über Napoleon trat ein Lehrplan in Kraft, der unter den Mittelschulen des
Landes eine gewisse Einheit der Lehrinhalte und Leistungsanforderungen herstellen
wollte. Seine Präambel lässt aufhorchen. Denn statt der rationalen Pragmatik Napoleonischer
Bildungspolitik liest man da: „Als Staatsanstalt für höhere Bildung überhaupt
nimmt das Gymnasium den ganzen Menschen in dem Schüler in Anspruch,
um ihn gleichmäßig in intellectueller und moralischer Hinsicht zu bilden." Ziel der
gymnasialen Bildung sei deshalb weniger die „blosse Gedächtnisübung" oder „das
blosse Anbilden von Aussen", sondern die „Selbstthätigkeit" des Schülers, die wiederum
durch geeignete Unterrichtsfächer zu wecken und zu stärken sei.8

Zweifelsohne war dieser Entwurf von Wilhelm von Humboldt und seiner Idee der
„allseitigen Bildung der Persönlichkeit", seiner „allgemeinen Menschenbildung" inspiriert
,9 die kurz zuvor die preußische Bildungsreform bestimmt und mit ihr das
preußische Gymnasium hervorgebracht hatte.10 Das zum gymnasialen Leitparadigma
des 19. Jahrhundert wurde. Die Pädagogik des Neuhumanismus, ihre zweckfreien
, nur auf die „vollkommene und harmonische Ausbildung" des Menschen gerichteten
Ziele hatte die ältere, auf zweckhaft-rationale Erziehung und Ausbildung
gerichtete Erziehungslehre der Aufklärung zwar in einem stürmischen Prozess überlagert
, aber keineswegs verdrängt. Im Gegenteil: Der Streit beider Konzeptionen
sollte zur eigentlichen Dynamik der Bildungsgeschichte dieses Jahrhunderts werden
.11 Dabei gewannen die „Realien" und modernen Sprachen nach und nach gegenüber
dem Neuhumanismus an Boden: Bis zur Jahrhundertmitte entstanden „Realschulen
" (in Baden zunächst „Höhere Bürgerschulen" genannt, wie in Freiburg das
heutige Rotteck-Gymnasium), die dann wiederum bis zum Ende des Jahrhunderts
als „Realgymnasien" die Abiturfähigkeit gewannen.

Der badische Lehrplan - erarbeitet von dem zuständigen Direktor des Innenministeriums
Karl Friedrich Graf zu Benzel-Sternau,12 der wiederum dem deutschen
Idealismus nahestand - übernahm von Preußen13 die neuhumanistische Bildungsidee
und damit die Dominanz der sprachlichen Bildung mit Griechisch als Pflichtfach
. Sie teilte mit Preußen die Geringschätzung der „Realien", die deshalb auch hier
zu „Nebenfächern" gerieten und mit nur zwei Wochenstunden unterrichtet wurden,
wie Geschichte, Geographie und Naturkunde (auch Naturgeschichte genannt). Ansonsten
hielt sich Benzel-Sternau aber auch in gebührender Distanz zu Preußen: Die
für Humboldts Neuhumanismus so wichtigen Fächer Griechisch, Mathematik und

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