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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 180
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keit verrät, dass sich das Freiburger Lyzeum künftig als Exekutive des Leistungsprinzips
verstehen wollte: Das Abiturientenverzeichnis des Jahresprogramms zählte
die Schüler erstmals nicht mehr - wie bisher - alphabetisch auf, sondern in der Reihenfolge
ihrer Leistungen.88 In den kommenden Jahren erfuhren die Abiturienten,
was dies zu bedeuten hatte: 1865 bestanden nur noch 34 von 44 Bewerbern, 1866 31
von 44 Bewerbern, 1867 35 von 44 Bewerbern, 1868 33 von 37 Bewerbern. 1869
hatte diese Lektion dann gewirkt: Von 19 Bewerbern fielen nur noch zwei durch.
Dafür war aber in der Zwischenzeit die Quote der NichtVersetzungen und in ihrem
Gefolge die der Schulaustritte sprunghaft angestiegen: Erst in der zweiten Hälfte der
70er-Jahre gewann das Gymnasium wieder jene Schülerquote, die es bereits nach
1840 und dann noch einmal in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre erreicht hatte.

Die Stagnation der Schülerentwicklung der 70er Jahre hat noch andere Ursachen:
Zum einen verschlechterte sich die wirtschaftliche Gesamtlage durch Gründerkrise
und beginnende Depression. Zum anderen gewann der badische Kirchenkampf zunehmende
Virulenz. 1874 wurde das Freiburger Knabenkonvikt geschlossen,89 nachdem
zuvor bereits die großherzoglichen Theologenstipendien eingefroren worden
waren.90 Als mittelbare Folge des Kirchenkampfes sank deshalb die Zahl jener Abiturienten
, die Priester werden wollten:91 Betrug die Theologenquote noch Mitte des
Jahrhunderts durchschnittlich etwa ein Drittel aller Absolventen, so sank sie seit
1877 bis zum Anfang der neunziger Jahre ins Marginale.92

Seit dem Schuljahr 1884/85 gab es am Gymnasium ein neues Wahlpflichtfach:
israelitischen Religionsunterricht.93 Erteilt wurde er vom Freiburger Rabbiner und
späteren badischen Landesrabbiner Dr. Adolph Lewin, der bis zu seinem Tode 1910
dem Kollegium angehörte.94 Erst 1862 hatte Baden den Juden bürgerliche Freizügigkeit
und Niederlassungsfreiheit als Abschluss eines längeren Emanzipationsprozesses
zugestanden.95 In der Folge haben sich dann wieder jüdische Bürger in Freiburg
angesiedelt.96 Mit ihnen kamen auch jüdische Schüler auf das Gymnasium,
ohne dass deren Quote in der Folgezeit über das Marginale hinausgeriet.

Seit dem Jahre 1880 nahmen die Schülerzahlen rasch und stetig zu, um dann auf
einem bisher unbekannten Plateauwert zu verharren - ein Phänomen, das sich
gleichzeitig in ganz Baden, ja im ganzen Reich zeigte. In einem Volk, das sich gerade
anschickte, die führende Industrienation Europas zu werden, hätte dieser Zuwachs
an Qualifikation eigentlich optimistisch stimmen müssen. Statt dessen verbreitete
sich weithin Beklommenheit. Sie fand ihren Brennpunkt in einem 1884 erschienenen
Buch des Staatswissenschaftlers Johann Conrad aus Halle,97 der diese
Frequenzsteigerung tendenziös als „Überfüllung" im Sinne von „Proletarisierung"
deutete. Seine Thesen, vergröbert und losgelöst von seiner differenzierten Argumentation
aber auch von seinen späteren Korrekturen, wirken bis heute nach.98

Die von Conrad reichsweit ausgelöste „Überfüllungsdiskussion" erfasste auch das
badische Mittelschulwesen und stabilisierte hier - trotz der gleichzeitig einsetzenden
„Überbürdungsdiskussion" in Öffentlichkeit und Landtag99 - die Leistungsmaximen
der vorausgegangen Reformära. So hielten sich am Freiburger Gymnasium
die Quoten der Repetenten und durchgefallenen Abiturienten im Durchschnitt der
achtziger und frühen neunziger Jahre auf einem beachtlichen Plateauwert von durchschnittlich
12 %.100 Unter dem Direktorat des als milde bekannten Emil Bender sank

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