Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 228
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2001/0228
dunkleres Brot in Amerika backen, da die Weizenernten ein großes Defizit aufwiesen
.13

In dem extrem kalten Winter 1946/47 mit bis zu 20 Grad Kälte wurde die Lage
kritisch. Es fehlte an Heizmaterial und an warmer Kleidung, hatte man doch im Jahr
zuvor noch alle brauchbaren Kleider für displaced persons, ehemalige Zwangsarbeiter
und KZ-Häftlinge, abgeben müssen. Eine Fürsorgerin berichtet: „Bei grimmiger
Kälte steht vor einem Bäckerladen zitternd ein 7jähriges Bübchen. Angezogen
ist der blasse Junge mit dünnem Anzug, viel zu kurzen Hosen, dünnen Söckchen
und ohne Unterwäsche. Er trägt abgelaufene Sandalen, die mit Papierschnur zusammengebunden
sind. Die Feststellung ergab, dass der Junge aus einer kinderreichen
Familie, die Mutter buchstäblich weder Wäsche, noch Kleidung, noch genügend
Nahrung für die Kinder hat."14

Und in eben diesem kalten Winter wurden am Bertoldsbrunnen und auf weiteren
öffentlichen Plätzen Weihnachtsbäume aufgestellt, an deren Spitze elektrische Kerzen
brannten, und dazu noch 4.000 Christbäume von Privatleuten gekauft!15 Trotz
aller Not versuchte man krampfhaft, ein ,normales' Leben zu führen.

Die Hälfte der Freiburger Bevölkerung hatte bis Februar 1947 noch keine Zuteilung
an Kartoffeln erhalten, die schon Belieferten hatten sie bereits verzehrt. An der
offiziellen Kalorienmenge von rund 1.100 cal fehlten also von vornherein 400 cal.
Was stand pro Tag noch zur Verfügung? 15 g Fleisch, 7 g Käse, 1 g Butter, etwas
Gemüse und Obst, 2 Scheiben Brot. In der amerikanischen Zone gab es im Mai 1947
ebenfalls keine Kartoffeln und kein Gemüse. Eine junge Frau bestätigte: „Ohne Brot
müßten wir verhungern. Die Behauptung, dass es uns in der amerikanischen Zone
so unheimlich gut gehe, ist nicht wahr." Nur waren dort von vornherein die Zuteilungen
höher.16

Infolge der Unternährung konnten Mütter nicht stillen, die Sterblichkeit der Kinder
unter einem Jahr stieg von 5 auf 19 Prozent, die Arbeitsmoral sank, das politische
Interesse war von Apathie bestimmt. Die Petition sämtlicher offizieller Stellen
an die französische Militärregierung gipfelte in den Sätzen: „Die politischen Auswirkungen
der vorliegenden Ernährungskatastrophe sind verheerend. Eine dem
Hunger ausgelieferte Volksmasse ist kein gesunder Boden, auf dem ein neues demokratisches
Gemeinwesen aufgebaut werden kann."17 Frankreich ließ schließlich
Ende Juli 1947 2.000 Tonnen Kartoffeln aus Frankreich in die besetzte Zone führen.
Erzbischof Gröber machte in jenem Sommer den Franzosen Vorwürfe wegen der
schrecklichen Hungersnot und klagte in einem Hirtenbrief, dass die Besatzungsmacht
das meiste für sich behielte. Der Kommentar eines französischen Kontrolloffiziers
hierzu lautete lapidar, man brauche sich über die Reaktion der Deutschen
keine Sorgen zu machen, „zumal die Leute in unseren Regionen kaum demonstrieren
..."18 An anderen Orten wurde demonstriert, in Freiburg konnten Streiks im Juni
und im August 1947 dank des Einsatzes der Gewerkschaften noch abgewendet werden
.19 Selbsthilfe war angesagt, jedes Stückchen Garten und jeder Park wurde bepflanzt
. Außerdem gingen die Freiburger auf Hamsterfahrt ins Umland.

Nach einer Schätzung der deutschen Ärzteschaft konnten dadurch zusätzlich 200
bis 500 cal beschafft werden. Einzelne Firmen, z.B. die MezAG, gingen im Sommer
1947 dazu über, ihre Betriebsangehörigen mit landwirtschaftlichen Produkten

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