Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 231
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wendigkeit einer politischen Säuberung ein. Zwei Jahre nach Kriegsende, in einer
existenziell besonders schwierigen Krise - die Hungersnot war auf dem Höhepunkt
-, wollte man nicht auch noch mit der Vergangenheit belastet werden. Allgemein
herrschte die Meinung, dass man durch Krieg und Not, Flucht und Vertreibung, Gefangenschaft
und Internierung bereits genug gelitten habe. Immer mehr Nazis wurden
rehabilitiert, es fand weder eine moralische Selbstreinigung statt, noch eine Auseinandersetzung
mit der Vergangenheit. Zur Schuldfrage äußerte sich ein französischer
Kreiskommandant im April 46 sehr deutlich: „Eure Schuld ist es, daß sich in
euerer Mitte ein Kult zügelloser Machtgier entfaltete ... Ihr habt Männer groß werden
lassen, die nur noch ein menschliches Zerrbild waren ..."28 Im Frühjahr 1947
wurde schließlich das in der amerikanischen Zone angewandte Spruchkammerverfahren
übernommen. Nun war es möglich, gegen ein Urteil Revision einzulegen. Bis
in die 50er-Jahre hinein wurden daher zahllose Urteile revidiert. Allein in der Stadtverwaltung
waren 1949 wieder 200 ehemalige, zum Teil erheblich belastete „PC's
(Parteigenossen) tätig, trotz Einspruchs von Oberbürgermeister Dr. Hoffmann. Insgesamt
war in Baden, das besonders milde Urteile aussprach, nur ein Prozent der Bevölkerung
von finanziellen oder berufbeschränkenden Sühnemaßnahmen betroffen
.29 Die Entnazifizierung war gescheitert, nicht zuletzt auf Grund der politischen
Situation, des inzwischen entstandenen „Kalten Kriegs". Schon bevor die neugegründete
Bundesrepublik als erstes Gesetz ein Straffreiheitsgesetz erließ, das auch
Nazi-Täter einschloss, hatte die französische Besatzungsmacht im Mai 1947 eine
Jugendamnestie und später zwei weitere Amnestien für nominelle Nationalsozialisten
verkündet.30

Die andere Seite soll auch zu Wort kommen, die der oft jahrelang als echte oder
vermeintliche NS-Überzeugungstäter inhaftierten Personen. Mitte Februar 1948
saßen noch 1.259 Personen im Internierungslager Freiburg-Betzenhausen.31 Die
meisten waren noch nicht entnazifiziert worden. Die Familien dieser Inhaftierten -
ob diese später schuldig gesprochen, aus dem Dienst entlassen oder frei gelassen
wurden - hatten es ebenso wie viele Familien von NS- und Kriegsopfern schwer, da
der Ernährer ausfiel. Ein Fall soll hier für viele stehen: Ehefrau und Tochter von
Herrn H. besaßen zwar ein Haus in Freiburg, aber dieses war von den Franzosen beschlagnahmt
worden.32 Die beiden Frauen lebten unter primitiven Verhältnissen in
einem möblierten Zimmer eines Gasthauses im Unterprechtal, da sie sonst keine
Möbel hatten. Die Mutter kochte unten in der Küche des Gasthauses, um Heizmaterial
zu sparen. Sie brachten sich mühsam durch mit dem Nähen von Büstenhaltern
für eine Freiburger Firma. H. wurde 1949 verurteilt, wobei ihm die Internierungszeit
angerechnet wurde.33 Nach einigen Jahren erhielt er eine Gnadenpension.34

Wie sahen die Deutschen die Entnazifizierung? Aufschlussreich ist eine 1948 vom
Allensbacher Institut für Demoskopie durchgeführte Befragung. Sie ergab, dass 39
Prozent eine Entnazifizierung für notwendig hielten, 31 Prozent sprachen sich dagegen
aus. Einig waren sich jedoch beide Gruppen, dass sie falsch durchgeführt worden
war.35

Für falsch, ja sogar für den größten Fehler der Besatzungsmächte hielt man im
September 1951 auch die Demontagen und die Requisition von Maschinen. Von den
wilden Beschlagnahmungen in den ersten Monaten der Willkürphase - bis zum

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