Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 276
(PDF, 59 MB)
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auch ein Hubert Baum und Richard Gäng dazu? Hat sich das notorisch völkische
Klima mit den Ehrendoktoren Hermann Burte und Emil Strauß unter Frischluftein-
fluss verdünnt und weggeklärt? Und wie verbuchen wir die Gewissenspublizistik des
solitären Reinhold Schneider, den in diesem Jahr '49 die Anrufe aus dem Ordinariat
erreichen, wann er denn endlich in die „Ostzone" umziehen wolle? Versuchen wir
lieber das literarische Klima mit Greifbarem zu beschreiben. Ich habe es vor allem
auf dem gelbholzigen Papier der Halbmonatszeitschrift Die Gegenwart und beim
staubaufwirbelnden Durchblättern des Jahrgangs 1949 der Badischen Zeitung gefunden
.

Die Gegenwart, gegründet Ende 1945 in Freiburg, steht mit ihrer Leistung und
Entwicklung beispielhaft für die einzigartige Konjunktur eines Dutzends anspruchsvoller
Kulturzeitschriften in der Französischen Zone. Die Freiburger Redakteure und
Autoren der Gegenwart gruppierten sich im besten Geist der Frankfurter Zeitung um
große Namen wie Benno Reifenberg, Bernhard Guttmann, Robert Haerdter, Albert
Oeser und Ernst Benkard. Zu ihren Berichten, Kommentaren und Analysen aus Politik
, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft stellen sie vom ersten Heft an literarische
Texte z.B. von Marie Luise Kaschnitz, Günther Eich, Max von Brück, Richard
Hertz, Anna Seghers, Alfons Paquet, Alfred Mombert, Johann Armbruster (das ist
Wilhelm Hausenstein), Kasimir Edschmid, Ernesto Grassi und Ricarda Huch. Literatur
ist also ein wichtiges Element dieser publizistischen Kultur, die natürlich auch
in das kulturelle Biotop Freiburg hineinwirkt. Es werden ganz erstaunliche Auflagen
erreicht. Die Gegenwart kommt vor 1948 auf eine Höchstauflage von 220 000 Exemplaren
, die bei größerer Papierzuteilung noch steigerbar gewesen wäre. 1949 ver-
lässt Die Gegenwart Freiburg und zieht nach Frankfurt. Die Blüte der Zeitschriften-
Sonderkultur ist jählings zu Ende gegangen.

Auch die Verlagslandschaft, die bis 1948 eine unglaubliche Fülle von Neugründungen
ausgetrieben hatte, wurde durch den Währungsschnitt mit der Verknappung
des zu den verlockenden Konsumgütern strömenden Geldes grausam flurbereinigt.
All die holzigen, broschierten Kleinformate mit zeitgeschichtlicher und politischer
Thematik über Erlebnis-, Besinnungs- und Rechenschaftsliteratur bis zu alter und
neuer Belletristik fanden nun keine Käufer mehr. Es kam, wie Manfred Bosch formulierte
„im Bereich der Kultur zu einer demontageartigen Situation mit katastrophalen
Zusammenbrüchen. Ein Großteil der verlegerischen Neugründungen ging
ein, Zeitschriftenauflagen sanken auf Bruchteile ab, Theater kämpften um ihre Existenz
- das kulturelle Nachkriegsintermezzo war zu Ende".8

Das Buch als geistiges Medium und Ware ist also 1949, wie der Vorsitzende des
Börsenvereins des Buchhandels in der französischen Zone mit ihren 6 Millionen
Einwohnern resümiert, „ein Wagnis" für die 229 Verlage, die rund 2000 Titel mit
einer durchschnittlichen Auflage von 5000 Exemplaren vorlegten. An der Spitze rangiert
die „Schöne Literatur" mit 35 %. Die höchste Auflage erzielte Romano Guardinis
Kreuzweg des Herrn - 200 000 Käufer suchten diesen aufbauenden Seelentrost
. Die Verleger konstatieren aber einen Mangel an guten neuen Manuskripten und
an geistiger Substanz: „Der Aderlaß des Krieges", sagen sie, „und die 12 Jahre Nationalsozialismus
sind der Grund dafür, daß die Quellen des Geistes noch nicht so
fließen, wie wir es wünschen möchten."

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