Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 303
(PDF, 59 MB)
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Buchbesprechungen

Landes- und regionalgeschichliche Literatur

Landjudentum im Süddeutschen- und Bodenseeraum. Wissenschaftliche Tagung zur Eröffnung
des jüdischen Museums Hohenems vom 9. bis 11. April 1991. Veranstaltet vom Vorarlberger
Landesarchiv (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs. Hg. vom Vorarlberger Landesarchiv
, 11. Bd.). Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn 1992, 235 S.

„Sie mußte eine Bürste zum Schrubben und einen Kübel mit Wasser nehmen und sie mußte
mit den Männern hinuntergehen, um den Gehsteig zu säubern ..." Zu dieser entwürdigenden
Arbeit wurde eine junge jüdische Frau von einem Trupp SA-Männer gezwungen, kurz nach
dem Anschluss Österreichs. Nach ihr war der Sohn eines Rabbis an der Reihe, aber er musste
den Gehsteig nicht schrubben: Einige deutsche Soldaten machten einen eisernen Ring um ihn,
um ihn vor dem prügelnden Mob zu schützen. Widersprüchliche Erlebnisse eines Wiener
Juden im Jahr 1938, 50 Jahre nach dem ,Anschluss' Österreichs zu Protokoll gegeben. Der
aus 60 Interviews von Überlebenden entstandene Dokumentarfilm hinterließ bei den Teilnehmern
und Referenten der Tagung zur Erforschung des Landjudentums große Betroffenheit.
Anlässlich der Eröffnung des jüdischen Museums Hohenems 1991 berichteten sechzehn Autoren
aus Österreich und Deutschland, der Schweiz und Großbritannien aus der Sicht ihres
jeweiligen Fachgebiets über die historische Entwicklung des Landjudentums in einigen „klassischen
" Gemeinden Süddeutschlands, Vorarlbergs und der Schweiz. Fast zwei Generationen
nach dem Judenpogrom der NS-Zeit wurde diesen Verfolgten eine Erinnerungsstätte gewidmet
, wie sie auch anderenorts, z.B. in Breisach, im Entstehen ist.

Nach Jahren des Verschweigens und Vergessenwollens begann erst in den 1960er Jahren die
Aufarbeitung der Vergangenheit. Noch hatte aber kein Umdenkungsprozess stattgefunden, wie
eine Fragebogenaktion in württembergischen Dörfern mit ehemals jüdischem Bevölkerungsanteil
erbrachte. Sicher nicht nur im württembergischen Baisingen kann man von einem „beschwichtigten
Gedächtnis" sprechen (Franziska Becker), nicht nur dort verlief die Erinnerung
in kollektiv gesicherten Bahnen, als wäre nichts passiert: „Wir haben überhaupt nichts gesehen
, wir haben ja gar nichts gewußt gehabt, wir waren zu weit weg. Wir haben das gar nicht
mitgekriegt." Distanzierung als Schutzschild gegenüber eigenen Schuldgefühlen oder um untergründig
noch schwelenden Antisemitismus zu verschleiern? Neid auf die wirtschaftliche
Tüchtigkeit der jüdischen Bevölkerungsgruppe und „ihre überlegene Führungsqualität" (Nikolaus
Vielmetti) mag einiges dazu beigetragen haben, wie der Werdegang der Familie Brunner
aus Hohenems zeigt. Sie übersiedelte nach Triest und zählte dort bald zum zahlungskräftigen
Großbürgertum, das sein Unternehmen sogar über den Zweiten Weltkrieg retten konnte. Anders
bei der Freiburger Familie Mayer, die schon 1935 ihr Ledergeschäft aufgeben musste
(Heiko Haumann). Max Mayer gelang es, sich Pässe verschaffen und über Zürich in die USA
auszuwandern. Ein solches Visum konnte das Überleben sichern, aber „es gab kein Land, das
die Juden mit offenen Armen aufnahm". Das britische Konsulat stellte gerade 50 Visa pro Tag
aus, wie Augenzeugen 50 Jahre später berichteten.

Dem Forschungsstand zum Thema „Landjuden" in ganz Südwestdeutschland gilt die übergreifende
Abhandlung von Monika Richarz. Für diese Bevölkerungsgruppe sind die Quellen
dürftig, denn Handbücher und Monographien geben nur selten einen Hinweis zu den Beziehungen
zwischen jüdischer und christlicher Bevölkerung. Beide lebten innerhalb eines Dorfes

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