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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 304
(PDF, 59 MB)
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in geschlossenen Gemeinschaften, jüdische Lebensformen vermischten sich nicht mit den
christlichen. Wenig ist daher bekannt über ihre Allgemeinbildung und ihre Alltagssprache, das
Westjiddisch (Dieter Thommen). Dieses Idiom ist durch die Emanzipation der Juden in Vergessenheit
geraten. Die Freizügigkeit erlaubte ihnen die Abwanderung und veranlasste sie zur
Anpassung ihrer Sprache an die nichtjüdische Umgebung. Anpassung und Verhaltensänderung
war ohnehin etwas, was man als Gegenleistung für eine Gleichstellung erwartete. Die Gleichberechtigung
erfolgte erst nach mehreren Ansätzen in der Reichsverfassung von 1871, verweigerten
die Juden 1831 doch, ihre Religion abzuändern, wie die zweite Kammer des badischen
Landtages es forderte. Vor allem durch diese Verknüpfung sahen die orthodoxen Juden
einer Emanzipation mit zwiespältigen Gefühlen entgegen, auch wenn sie die Diskriminierung
als bedrückend empfanden (Uri Kaufmann).

Warum aber waren die Juden benachteiligt, wo hatten die antisemitischen Strömungen ihre
Wurzel? Dorothea McEwan geht den Ursprüngen dieses Hasses nach und legt dabei die Rolle
der Kirche offen. Schon die frühen Christen mussten sich zwangsläufig gegen die jüdische
Glaubenspraxis abgrenzen und halfen dadurch bei der Entwicklung des Feindbildes mit. Mit
der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion war der Diskriminierung in allen Lebensbereichen
Tür und Tor geöffnet, und nicht zuletzt die Kirche distanzierte sich fortan von
den „Andersgläubigen". Im Lauf der Jahrhunderte stempelte man sie zum Sündenbock: Sie
wurden verfolgt und vertrieben, wenn der Nahrungsspielraum für die Christen knapp wurde,
sie wurden für das Auftreten von Seuchen verantwortlich gemacht, und sie verliehen Geld gegen
Zins, was den Christen streng untersagt war. Dass ihnen die Ausübung handwerklicher
Berufe durch das Zunftwesen verwehrt war und ihnen fast nur der Handel blieb, interessierte
nicht. Das Bild des „Juden als Feind des Christen" erfuhr schließlich einen Wandel durch die
Emanzipationsgesetze des 19. Jahrhunderts, denn von dort an wurden sie weniger ihres Glaubens
als ihrer Rasse wegen diskriminiert.

Dies zeigt sich exemplarisch an der Lebensgeschichte des Vorarlberger Sozialdemokraten
Samuel Spindler (Werner Dreier), der sich - obwohl 1912 zum evangelischen Glauben konvertiert
- 1933/34 als Jude rassisch verfolgt sah und sich später das Leben nahm. In jüdischen Kreisen
war man sich der „Aufreizung zum Rassenhaß" längst bewusst geworden. Schon 1922 kam
es in Österreich zu Ausschreitungen, ein Jahr später wurde in Innsbruck „die Reinhaltung der
Hochschule vom jüdischen Einflüsse" gefordert. Auch hier bestand eine antisemitische ,Kultur'
- beim Autor ohne Anführungszeichen! -, an die sich später niemand mehr erinnern wollte.

Individuelle Erfahrungen von konkreten Orten, Interviews und mündliche Befragungen,
demographische und volkskundliche Untersuchungen sowie eine gründliche und informative
rechtskundliche Abhandlung (Thomas Armbruster) lassen ein Bild vom Leben und Arbeiten
des Landjudentums Südwestdeutschlands entstehen. Jüdische Kultur erscheint hier nicht als
einheitliche, mehr oder weniger folkloristisch geprägte Lebensweise, sondern differenziert
und facettenreich. Auch wenn nicht alle Abhandlungen auf gleich hohem Niveau liegen, so
bieten sie insgesamt doch Einblick in eine uns heute fremd gewordene Kultur. Schade nur, dass
die Lektüre stark beeinträchtigt wird, weil sich das Buch unter den Händen des Lesers in
Einzelblätter auflöst. Ursula Huggle

Gudrun Kling: Frauen im öffentlichen Dienst des Großherzogtums Baden (Veröffentlichungen
der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B. Forschungen
142). Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2000. 250 S., Abb.

Als die badische Postverwaltung in den 1860er Jahren Frauen in den Telegrafendienst einstellte
, erhob sich in keiner der beiden Kammern des Landtags Widerspruch. Zu bestechend
war die Aussicht auf pünktliche Arbeit bei geringem Kostenaufwand. Als Telegrafengehilfin-

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