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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 305
(PDF, 59 MB)
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nen betitelt, arbeiteten sie in der Regel zu mehreren in einer großen Schaltzentrale. Kontrollierende
oder administrative Aufgaben blieben ihren männlichen Kollegen vorbehalten, um
deren Höhergruppierung zu rechtfertigen.

Als in den 1870er Jahren Post und Telegrafendienst vom Reich übernommen wurden, setzte
die großherzogliche Regierung durch, dass die rund hundert Telegrafengehilfinnen ihre Stellen
behielten, obwohl sie nicht ins Konzept des Generalpostmeisters Heinrich von Stephan
passten. Die Telegrafistinnen anderer Staaten wie Sachsen und Hannover wurden bei der Neuordnung
entlassen. Von Stephan wünschte sich gut ausgebildete und gut bezahlte männliche
Beamte, die eine Familie ernähren konnten. 1889 ließ er jedoch die Einstellung von Fernsprechgehilfinnen
zu, deren Zahl mit der Verbreitung des Telefons rasch anstieg. Die populäre
Bezeichnung „Fräulein vom Amt" entspricht der Feminisierung der Tätigkeit, die es dem
Dienstherren erleichterte, die Bezahlung niedrig zu halten mangels Vergleichbarkeit mit männlich
besetzten Stellen.

Mit diesen Zusammenhängen setzt sich Gudrun Kling auseinander in ihrer Dissertation über
Frauen im öffentlichen Dienst des Großherzogtums Baden, die als ansprechend gestaltete
Publikation vorliegt. Die Frauen bei Post und Bahn einschließlich der Maschinenschreiberinnen
in der Verwaltung bilden neben den Lehrerinnen einen Schwerpunkt. Die Verfasserin erarbeitete
sich eine breite Materialbasis aus Primärquellen, darunter sehr ergiebige Bestände an
Personalakten. Durch differenzierte Fragestellungen erzielt sie Ergebnisse zur Entwicklung
der Berufsfelder, den Einstellungsvoraussetzungen, Prüfungen, Arbeitsbedingungen, zu Gehalt
und Pension. Als Folge der Zölibatsklausel wurde letztere nicht oft in Anspruch genommen
, denn bei Verheiratung mussten die Staatsdienerinnen unter Aufgabe ihrer Versorgungsansprüche
aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

Besonders interessant zu lesen sind die Aussagen über die Sozialprofile. Die weiblichen
Inhaberinnen dieser Stellen am unteren Ende der Verwaltungshierarchie kamen aus höheren
Schichten und verfügten über eine bessere Allgemeinbildung als vergleichbare männliche Kollegen
. Kein Wunder, dass diese „wohlerzogenen weiblichen Personen" beim Telefonkunden
gut ankamen; auch verständlich, dass nicht alle die ungleiche Behandlung durch den Dienstherrn
widerspruchslos hinnahmen.

Als weibliche Pioniere im öffentlichen Dienst macht Gudrun Kling die Gefängnisaufseherinnen
und Wärterinnen in den staatlichen psychiatrischen Krankenhäusern aus. Fanden sich
zu Beginn des Jahrhunderts eher robuste „Weiber aus den niederen Ständen" auf diesen Stellen
, so wandelte sich das Bild ab den 1840er Jahren: Frauen aus dem Bürgertum bewarben
sich. In der angesehenen Anstalt Illenau bei Achern taten sogar Adelige wie die Oberwärterin
Elise von Ungern-Sternberg Dienst.

Die Verfasserin beantwortet natürlich die Frage, ob das liberale Musterland Baden eine Vorreiterrolle
in Sachen Frauenemanzipation gespielt habe. Von manchem Mythos müsse man
sich verabschieden, dass zum Beispiel Großherzogin Luise originär an der Zulassung von
Frauen zum öffentlichen Dienst beteiligt gewesen sei. Kling spricht die zwiespältige Einstellung
der Liberalen an, die weibliche Berufstätigkeit nicht als erstrebenswert und schon gar
nicht als Fortschritt empfanden, und die unterschiedlichen Positionen der Frauenberufsverbände
und der Frauenbewegung. Es bleiben aber etliche Pioniertaten, die sich das Großherzogtum
zugute halten kann. Besonders wirkungsvoll ist die Einstellung der ersten akademisch
gebildeten Fabrikinspektorin. Sie war die erste Beamtin im höheren Dienst in Deutschland.

Neben den historischen und soziologischen Strukturanalysen arbeitet sich die Verfasserin
durch die einschlägigen Gesetze und Verordnungen zwischen Großherzogtum und Reich. Die
wichtigste Marke setzte das Beamtengesetz von 1888, mit dem der öffentliche Dienst klar und
großzügig geordnet wurde. Die Zölibatsklausel für Beamtinnen überlebte aber auch diese
Zäsur. Renate Liessem-Breinlinger

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