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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 131
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sehe Literatur zu verbreiten".36 Dieses hauseigene Internat, eine private Kadettenanstalt von
äußerster Zucht, mit eigenen Lehrkräften (auch für Fremdsprachen), hatte etwa ein halbes Dutzend
Zöglinge, die einen ausgesprochenen Corpsgeist entwickelten. Viele avancierten später
auf Spitzenpositionen im Verlag, so schon Franz Hutter und dann auch Philipp Dorneich.

Zwischen dem Chef des Hauses und dem Personal herrschte unter Benjamin Herder ein perfekt
funktionierendes patriarchalisches System. Möglicherweise gehören patriarchalische
Züge zu einem Familienunternehmen. Benjamin war der Herr des Verlags. Ihn redete jeder mit
„Sie" an, er konnte jeden duzen. Die Höhe des Lohnes bemaß er nach eigenem Ermessen.37
Keiner sollte wissen, was der andere verdiente. Lohnsummen waren geheim. Zulagen oder Erhöhungen
erfolgten nach persönlichem Wohlwollen des Herrn. Urlaubsansprüche hatte niemand
. Urlaub gewährte Benjamin Herder als persönliches Geschenk. Entlassungen konnte er
von einer Stunde auf die andere vornehmen, Kündigungen von Mitarbeitern einfach zurückweisen
. (O tempora, o mores!) Der patriarchalische Führungsstil war freilich auch gepaart mit
Herzenswärme und persönlicher Zuwendung im Einzelfall. Offenbar zählt auch dies zum „katholischen
" Charakter des Hauses. Bekanntlich verdankte der „politische Katholizismus" im
19. Jahrhundert seinen Erfolg nicht zuletzt seiner sozial-integrativen Grundhaltung. Das soziale
Klima war jedenfalls im Hause Herder, darin darf man Philipp Dorneich glauben, der
seine Zeit ab 1879 bei Herder sehr ehrlich schilderte, das einer großen Familie.38 So war denn
auch die Trauer um den Tod Benjamin Herders und den seiner Gattin wie die von Kindern um
ihre Eltern. Hier zeigte sich eine zweite Dimension dessen, was das Haus Herder als Familienunternehmen
kennzeichnet(e): Der Verlag bildete eine Belegschafts-Familie. Man arbeitete
„beim Herder" und „gehörte dazu", aufgehoben in einem „sozialen Lebensraum".

Hermann Herder d. Ä., der Verleger mit Weltgeltung

Theophil Herder-Dorneich unterschied die drei ersten Verlegergenerationen des Hauses Herder
folgendermaßen: „Bartholomä Herder war sein Unternehmen selbst. Benjamin Herder war
Herr seines Unternehmens. Hermann Herder verstand sich als erster Diener des Unternehmens
."39 Es würde den Rahmen meines Beitrages sprengen, wollte ich neben der Skizze von
Benjamin Herder nun auch seinen Sohn und Nachfolger Hermann Herder in gleicher Größe
und in seiner vollen Bedeutung abzubilden versuchen. Geboren am 14. November 1864 und
auf den Namen Hermann Joseph getauft (was wäre zum Taufnamen alles zu sagen!)40, hielt
er wie sein Vater fast ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke des Verlages in der Hand. Am
19. Oktober 1937 ist er verstorben. Sein Leben und Wirken umspannt drei Perioden der Deutschen
Geschichte: das Wilhelminische Reich, die Weimarer Republik und den Aufstieg der
Nationalsozialistischen Diktatur. Ich werde mich auf die erste Periode beschränken, auf das
ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert, die letzte Zeit des Kaiserreiches.

Es klingt hart, aber ich stehe dazu: Hermann Herder hatte kein Elternhaus. Seinen Vater er-

36 Über das Zöglingsinstitut u.a. Weiss (wie Anm. 1), S. 139; Kasper (wie Anm. 5), S. 195 ff.; Dorneich (wie
Anm. 6), passim.

37 Dorneich (wie Anm. 6), besonders S. 96 f.

38 Weiss (wie Anm. 1), S. 151 f.; Dorneich (wie Anm. 6), S. 68 ff.

39 Theophil Herder-Dorneich: Der Verlag Herder als sozialer Lebensraum. In: Der Katholizismus in Deutschland
(wie Anm. 16), S. 274-286, hier S. 279.

40 Zum Namen: Der Prämonstratensermönch Hermann-Joseph im Eifelkloster Steinfeld wurde vor allem im Kölner
Raum verehrt. Sein Beiname „Joseph" kennzeichnete seine mystische Verehrung Marias, wie sie J. B. Hirscher
: Das Leben der seligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria. Zu Lehr u. Erbauung f. Frauen u. Jungfrauen.
Freiburg 1853, bei Herder aufleben ließ. Der spätere Erzieher Hermann Herders, Franz Kaulen („der ewige Privatdozent
"), verfasste eine Biographie des heiligen Hermann-Joseph. In Freiburg bedeutete der Vorname Hermann
eine Reverenz gegenüber dem Erzbischof Hermann von Vicari.

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