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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 90
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zer Würdenträgers für die Entwicklung des Genres als durchaus bedeutsam eingestuft wird4
und der Autor somit auch in biographischer Hinsicht näher untersucht zu werden verdiente, hat
sich die Forschung mit Tüngers Leben und Wirken bislang nur am Rande beschäftigt und im
Rahmen erster Sondierungen eine ganze Reihe von Resultaten zutage gefördert, die sich bei
näherem Hinsehen als eher fragwürdig erweisen und korrekturbedürftig sind. Die folgenden
Ausführungen sollen anhand der Herkunftsproblematik verdeutlichen, dass eine vertiefte Diskussion
dieser Frage nicht zuletzt auch bei der Klärung der literaturgeschichtlichen Zusammenhänge
, in denen der Dichter anzusiedeln sein dürfte, hilfreich sein kann.

Eine erste Durchsicht der jüngeren Forschungsliteratur legt zunächst die Vermutung nahe,
dass das Problem der Herkunft des hier zur Diskussion stehenden Autors inzwischen als endgültig
geklärt gelten darf. So ist im einschlägigen „Verfasserlexikon" nachzulesen, Tünger habe
im Jahr 1455 „in Endingen bei Balingen (Schwäbische Alb)" das Licht der Welt erblickt.5 Der
vermeintliche Geburtsort des Dichters ist mit der heute noch existierenden (aktuell rund 2400
Einwohner zählenden) Ortschaft gleichen Namens gleichzusetzen, die nur einige wenige Kilometer
südwestlich der baden-württembergischen Kreisstadt Balingen liegt.6 Nicht zuletzt der
Umstand, dass die im Jahr 1255 von den Grafen von Zollern gegründete Stadt Balingen 1403
in den Besitz des Hauses Württemberg überging, trug wohl mit dazu bei, Tüngers Widmung an
die Adresse des Grafen Eberhard vor dem Hintergrund territorialgeschichtlicher Beziehungen
zu interpretieren, wobei hinzukommt, dass nicht nur die geographische Nähe des angeblichen
Herkunftsortes zu seiner späteren Wirkungsstätte Konstanz, sondern auch die in den „Fazetien"
häufig anzutreffenden Hinweise auf historische Persönlichkeiten, Institutionen und Lokalitäten
aus der Bodenseeregion dieser Zuweisung förderlich gewesen zu sein scheinen, ein Befund,
der in den mundartlichen Merkmalen der überlieferten Texte eine zusätzliche Stütze fand.7 Wie
steht es nun aber wirklich um die schwäbische Provenienz Augustin Tüngers? Halten die von

4 Neuere Literatur: Wilfried Barner: Überlegungen zur Funktionsgeschichte der Fazetien. In: Kleinere Erzählformen
des 15. und 16. Jahrhunderts. Hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna vitrea 8). Tübingen
1993, S. 287-310, bes. S. 288, 298ff., 302f., 305 und 307 (zu Tünger); Honemann (wie Anm. 3).

5 Zitiert nach Honemann (wie Anm. 2). Sp. 1146. Dieselben Angaben finden sich etwa in folgenden Nachschlagewerken
: Reinhard Müller: Artikel „Tünger, Augustin". In: Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches
Handbuch. Bd. 24: Tsakiridis-Ursinus. Bern 32004. Sp. 11 lf.; Gerbert Hübner: Artikel „Augustin
Tünger". In: Kindlers Neues Literatur Lexikon. Bd. 16. München 1991. S. 815. Selbst der bereits erwähnte
Stuttgarter Handschriftenkatalog (wie Anm. 3) weist Tünger wie selbstverständlich der Lokalität „Endingen/Zol-
lern-Alb-Kreis" zu (siehe S. 40). Keine eindeutige Zuweisung findet sich etwa bei Hans-Jürgen Bachorski: Artikel
„Tünger. Augustin". In: Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bd. 11. Gütersloh 1991.
S. 454. Ablehnende Äußerungen finden sich hingegen bereits in: Beschreibung des Oberamts Balingen. Hg. von
dem K. statistisch-topographischen Bureau. Magstadt 1982 (Unveränderter photomechanischer Nachdruck der
Ausgabe Stuttgart 1880), S. 363, während Gustav Roethes (1859-1926) Tünger-Artikel in der „Allgemeinen
Deutschen Biographie" (Bd. 39 11895], S. 114f., hier S. 114) wie selbstverständlich von einer badischen Herkunft
des Dichters ausgeht. Zu dieser Alternative siehe die weiteren Ausführungen des vorliegenden Beitrags.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf die - wenn auch von der späteren Forschung kaum beachteten - Zweifel
an der „schwäbischen Hypothese" hingewiesen, die Adelbert von Keller wenige Jahre nach dem Erscheinen seiner
Textausgabe geäußert hat. Siehe Adelbert von Keller: Augustin Tünger. In: Anzeiger für Kunde der deutschen
Vorzeit NF 25 (1878), Sp. 135f.

6 Zur Lokalgeschichte siehe besonders Dieter Gaiser: 1200 Jahre Endingen. Chronik 793-1993. Hg. von der
Stadtverwaltung Balingen. Balingen 1993. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit ergreifen, Herrn Dieter
Gaiser (Balingen-Endingen) für seine bereitwillig gewährte Einsicht in Manuskripte und Forschungsmaterialien
sowie für zahlreiche weiterführende Hinweise herzlich zu danken.

7 Siehe etwa die Bemerkungen des Herausgebers in: Augustin Tüngers Facetiai (wie Anm. 2), S. 159f., sowie das
Register, ebd., S. 161f. Übrigens führt Adelberts von Keller, ebd., S. 159, gegebener Hinweis auf Christoph Friedrich
von StAlin: Wirtembergische Geschichte. T. 2: Schwaben und Südfranken. Hohenstaufenzeit. 1080-1268.
Stuttgart/Tübingen 1847. S. 506 bzw. ebd., T. 3: Schwaben und Südfranken. Schluß des Mittelalters. 1269-1496.
Stuttgart 1856, S. 409, hinsichtlich der Herkunftsfrage nicht weiter.

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