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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 240
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gierten Altersghetto bis zu ihrem Lebensende Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung
zugestanden bekämen". Hatten sie doch vielfach sogenannte „Heimeinkaufverträge"
unterschrieben, um diese Sicherheiten zu erlangen. Sie zahlten dafür mit ihrem gesamten restlichen
Vermögen.155

Die Desillusionierung der Deportierten war bei der Ankunft jedes Mal vollkommen - und
das galt auch für die Menschen aus dem Heim an der EUernstraße, die am 24. Juli eintrafen.
Schwer zu bewältigen war für die von der langen Fahrt Erschöpften bereits der Fußweg vom
Bahnhof Bauschowitz 156 nach Theresienstadt, zweieinhalb Kilometer mit dem Gepäck an der
Hand. Dort angekommen wurden sie sofort in die „Schleuse" geführt, wo das Wachpersonal
Gepäck und Kleidung nach Geld, Schmuck, Zigaretten, Medikamenten und sonstigen Wertsachen
durchsuchte. Den schlimmsten Schock aber versetzte die Art der Unterbringung: nicht in
gepflegten Räumen, wie vorgegaukelt, sondern bestenfalls in völlig überbelegten Kasernenräumen
, zuletzt jedoch in den Kasematten und auf den Dachböden. 157 Eine Ulmer Krankenschwester
schreibt in ihren Erinnerungen: Dachboden Dresdner Kaserne! ... Der erste Eindruck
... war: Jetzt bist du gewiss im Inferno! Es summte und brummte, es weinte und schrie,
es herrschte ein merkwürdiges Halbdunkel, da nur ganz vereinzelt eine kleine Glühlampe im
Gebälk hing. ... Betten gab es selbstverständlich nicht; man musste sich auf die nackten rohen
Steine niederlassen, auf denen der Schmutz vieler Jahre lag. ... Männer, Frauen und Kinder
saßen oder lagen Körper an Körper umher. Es waren 2000-3000 Menschen auf diesem Dachboden
untergebracht, und an Ruhe war natürlich nicht zu denken. ... Und es war in den anderen
Kasernen und Unterkünften nicht anders!l5gDas konnte es auch nicht: Hatte doch die im
18. Jahrhundert angelegte Festungs- und Garni-sonsstadt bestenfalls normale Raumkapazitäten
für etwa 7000 Menschen - und bis Ende Juli 1942 war die Zahl der Häftlinge bereits auf 43403
gestiegen, ohne dass neue Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen worden waren.159

Der als Oberin fachlich ausgewiesenen Elisabeth Müller wird mit den ihr anvertrauten Heimbewohnern
- unter ihnen Therese Magnus, ihre Tante - als Unterkunft entweder zunächst die
Hohenelber Kaserne (Baublock E VI) zugewiesen worden sein, die seit Anfang 1942 als zentrales
Krankenhaus und vorübergehend auch als „Alters- und Siechenheim" ausgebaut worden
war, oder aber die Kavalierskaserne (Baublock E VII), die man ebenfalls zum Altersheim umfunktioniert
hatte, ein elendes Gebäude, wie ein Augenzeuge urteilte, das mit Unglücklichen
beider Geschlechter vollgestopft wurde. Weitere Transporte mit alten Menschen zwang die Fürsorgeverwaltung
in den Folgemonaten, weitere Heime zu eröffnen, so ein drittes großes „Siechenheim
" - überwiegend für bettlägerige und hilfsbedürftige alte Menschen - in der Geniekaserne
(Baublock E lila), an dessen Planung und Einrichtung Elisabeth Müller beteiligt gewesen
sein wird; jedenfalls wurde ihr dessen Leitung nach der Fertigstellung im Sommer 1943
übertragen. Das geht aus einer Postkarte vom 10. Dezember 1943 hervor, mit der sie der ehemaligen
christlichen Haushälterin ihres verstorbenen Onkels Adolf Müller in Holzminden,
Emilie Schütt, mitteilte: Seit lVi Jahren sind wir nun hier, Therese Magnus und ich. ... Es geht

155 Zur Genesis dieser Theresienstadt nach außen hin zugedachten Funktion und zu den gegenüber den Deportierten
angewandten Täuschungsmanövern vgl. Miroslav Kärny: Theresienstadt 1941-1945. In: Theresienstädter
Gedenkbuch (wie Anm. 150), S. 15-44, hier S. 16f. und 20f.

156 Erst im Juni 1943 erhielt Theresienstadt ein Anschlussgleis. Kärny (wie Anm. 155), S. 24.

157 Vgl. den Tätigkeitsbericht der jüdischen Selbstverwaltung für August 1942. Adler (wie Anm. 151), S. 145f.

158 Resi Weglein: Als Krankenschwester im KZ Theresienstadt. Erinnerungen einer Ulmer Jüdin. Stuttgart 1988,
S. 27ff. Diese Darstellung wird vielfach bestätigt; vgl. etwa Max Berger: Bericht über das Ghetto Theresienstadt
. In: Adler (wie Anm. 151), S. 164ff. Beide schildern auch die Ankunft und die Ausplünderung beim
Schleusen.

159 Ende August waren es bereits 51.554 Deportierte. Kärny (wie Anm. 155), S. 20 und 30.

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