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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 282
(PDF, 57 MB)
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an die anderen Opfer, diejenigen, die aufgrund eines Zufalles das KZ überlebten wie etwa Gertrud Luck-
ner, die als „Politische" in Ravensbrück inhaftiert war, weil sie ihren jüdischen Mitmenschen geholfen
hatte. Ihr Leiden endete nicht mit der Befreiung, da sie, wie sie Jahrzehnte später selbst schilderte, das
Schlimmste an menschlichem Sadismus und Grausamkeit Tag für Tag erdulden mußte (S. 170).

Über die Frage, ob die Stolpersteine überhaupt eine Ehrung darstellen oder gar genau das Gegenteil,
nämlich eine erneute Erniedrigung der Ermordeten, ist viel diskutiert worden und in ihrem Buch geht Marlis
Meckel sensibel auf die Argumente und Befindlichkeiten derer ein, die aus eigener Betroffenheit
zunächst entsetzt auf das Projekt reagierten. Denn für einige Nachfahren der Opfer war die Vorstellung
kaum zu ertragen, dass, wie etwa in der Bürgerwehrstraße bei Dr. Paul Noether, man jetzt wieder mit
Füßen auf ihn tritt (S. 46). Es ist der Autorin nicht hoch genug anzurechnen, dass sie diese Kritik nicht
unter den Teppich kehrte, sondern ihre Leserinnen und Leser an den Widersprüchlichkeiten des Projektes
teilhaben lässt und ihnen kein fertiges „Gedenkrezept" präsentiert, stattdessen gerade in dieser Vielschichtigkeit
zum eigenen Nachdenken anregt. Das Buch selbst ist also ein Stolperstein, für den man Marlis
Meckel nur dankbar sein kann. Ute Scherb

Ute Scherb: „Wir bekommen die Denkmäler, die wir verdienen". Freiburger Monumente im 19. und 20.
Jahrhundert (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 36). Stadtarchiv Freiburg,
Freiburg 2005. 304 S., zahlreiche Abb.

Sogar auf dem Gelände des Badenova-Stadions spürte Ute Scherb ein Denkmal auf: Der Sportclub Freiburg
hatte es in den 1920er-Jahren zur Erinnerung an seine im Weltkrieg gefallenen Mitglieder auf seinem
damaligen Übungsgelände, dem Winterer-Stadion am Flugplatz, aufstellen lassen. Auch der Freiburger
Fußballclub ehrte die Kriegsteilnehmer aus seinen Reihen, die zwischen 1914 und 1918 ihr Leben
ließen, mit einem Monument am Mösle-Stadion. Während der Sportclub seine Botschaft durch eine Bildkomposition
von Stahlhelm. Lorbeer und Eisernem Kreuz vermittelt, die Inschrift dagegen ganz knapp
und unpathetisch fasst, hält es der FFC gerade anders: Auf einem schlichten glatten Rechteck aus Beton-
guss stehen die Worte: „Heimat, neige dein Haupt vor den toten Helden des großen Krieges."

Ute Scherb untersuchte alle noch existierenden oder in Schrift- und Bildquellen fassbaren Denkmäler,
die im 19. und 20. Jahrhundert in Freiburg zur Pflege der Erinnerung und Vermittlung einer Denkweise,
Orientierung oder Lehre bewusst in der Öffentlichkeit aufgestellt wurden. Sie spricht nicht von historischen
, sondern von politischen Denkmälern, da diese nicht nur auf die Zeitgenossen wirkten, sondern
auch nachfolgende Generationen zur Auseinandersetzung mit den vermittelten Inhalten anregten. Der
kunsthistorische Aspekt hat in der geschichtswissenschaftlichen Arbeit, mit der die Autorin an der Universität
Freiburg promovierte, nur dienende Funktion.

Es geht zunächst um die Entstehungsgeschichte der Denkmäler und um die ersten Diskussionen und
Reak-tionen der Öffentlichkeit, dann um den Umgang mit den fertig installierten Objekten, der sich mit
fortschreitender Zeit oft in Nichtbeachtung verliert. Auch Umnutzungen kommen vor. Falls der einst beabsichtigte
Appell der Monumente noch verstanden wird und wirkt oder gar provoziert, kann sich auch
eine Verfremdungs- oder Gegendemonstrationsgeschichte anschließen. Spektakuläre Beispiele hierfür boten
sich der Autorin 1994, als Mitglieder einer „antinationalen Gruppe" vor dem Hintergrund der Diskussion
über Auslandseinsätze der Bundeswehr das Gefallenendenkmal auf dem Hauptfriedhof umdekorierten
. Zeitungsleser erinnern sich vielleicht an den schwarzen Mantel und die Inschrift „Der Tod ist ein
Meister aus Deutschland". Etliche Jahre später lautete die Botschaft einer ähnlichen Aktion: „Die Toten
der neuen Kriege heißen Kollateralschaden" und „Humanität ist ein Meister aus Deutschland". Mit künstlerischem
Impetus hatten Unbekannte die Germaniafigur als Krankenschwester gewandet in der Absicht,
ihren Mitmenschen einen Denk- oder Diskussionsanstoß zu geben. Im Kapitel „Diskurse und Aktionskunst
- Denkmäler in der politischen Auseinandersetzung" nennt Ute Scherb noch weitere oft plumpere
Unmutsäußerungen gegen Denkmäler, die an Kriege erinnern. Sie weist aber darauf hin, dass die Stadt
Freiburg aggressiv revanchistische Darstellungen auf Denkmälern schon in früheren Jahrzehnten vermieden
hatte.

Was die Kaiserzeit mit ihrer bekannten Vorliebe für Denkmalsetzungen für Fürst und Vaterland anbetrifft
, hebt sich Freiburg von vergleichbaren Städten im Deutschen Reich ab, da hier weder ein Kaiser Wilhelm
- noch ein Bismarck-Denkmal realisiert wurden. Der Grund lag nach Scherbs Ermittlungen nicht in
einem generellen Vorbehalt gegen das Haus Hohenzollern und Preußen, den es einige Jahrzehnte zuvor

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