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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0113
Am letzten Tag von Liszts Aufenthalt, dem 3. Mai, gab sich der Meister selbst die Ehre und
trug bei einer Matinee im Saal der Museumsgesellschaft drei längere Piecen vor, die einen
mächtigen, überwältigenden Eindruck auf die Zuhörer machten ...In wahrhaft andächtiger
Stille lauschte Alles den Tönen des Meisters, der namentlich auch durch sein Pianissimo von
zauberhafter Weiche und Zartheit entzückte. Es handelte sich dabei um eine Konzertetüde von
Liszt, dessen Transkription eines der „Chants polonais" von Chopin sowie vermutlich Liszts
Transkription von Rossinis „La Caritä".26 Dann hieß es Abschied nehmen, wozu sich zahlreiche
Verehrer am Bahnhof einfanden: Ein wahrer Blumenregen flog dem Meister, von zahlreichen
schönen Händen geworfen, in den Wagen nach. Unter lebhaften Hochrufen der Menge
setzte sich der Zug in Bewegung und entführte den Mann aus unsern Mauern, dessen viertägige
Anwesenheit ein großes Ereignis für unser Freiburg war und Jedem, der das Glück hatte,
dem Meister sich nähern zu dürfen, eine werthvolle Erinnerung für 's ganze Leben bleiben
wird.11

Ursprünglich hatte Liszt nicht vorgehabt, im folgenden Jahr noch einmal nach Freiburg zu
kommen,28 änderte dann aber kurzfristig seine Pläne.29

Inzwischen hatte sich Liszts Lebenssituation einschneidend verändert. Nach einem Sturz im
Juli 1881 war er zunehmend hinfällig geworden und Depressionen schwächten seine Schaffenskraft
. Trotzdem befand er sich unverändert auf Reisen durch ganz Europa, um an Konzerten
zu seinen Ehren teilzunehmen. Am 30. Juni 1882 traf er von Weimar kommend in Freiburg
ein: Zu seinem Empfang hatte sich eine Anzahl Verehrer am Bahnhof eingefunden, die
Militärkapelle hatte auf 6 Uhr ein Ständchen projektirt, das der Ungunst der Witterung zum
Opfer fiel und Abends ertönten dem Meister zu Ehren Männerchorweisen der Concordia vor
dessen Behausung am Münsterplatz (Abb. 3).30

Am 2. Juli wurde ein großes Festkonzert des Philharmonischen Vereins mit Werken Liszts
gegeben. Auf dem Programm31 standen „Die Glocken von Straßburg", der „137. Psalm", die
„Seligpreisungen" aus „Christus", die „Missa solemnis" („Graner Messe") und Schuberts
„Wandererfantasie" in Liszts Fassung für Klavier und Orchester. Solist war Liszts Schüler
Ludwig Dingeldey,32 welcher sich seiner Aufgabe in vornehmer Weise, ohne jeden
Virtuosenfirlefanz entledigte. Als kurzfristig eingeschobene Uraufführung erklang Liszts einziges
Duett „Abend am Meere" (O Meer im Abendstrahl) für Sopran, Alt und Klavier oder
Harmonium, nach einem Text von Alfred Meißner, das in Freiburg noch schnell zu Papier

Zum genauen Programm vgl. Breisgauer Zeitung vom 8.5.1881, Nr. 107. Die Breisgauer Zeitung schreibt von
einer Fantasie über Themen aus Rossinis (nicht-existenter) Oper „Caritä", es handelte sich aber wohl um eine von
Liszts Transkriptionen des gleichnamigen religiösen Chorwerks von Rossini aus dem Jahr 1847 („La Charite",
Searle 552a/b und 553/2).

27 Freiburger Zeitung vom 4.5.1881, Nr. 103.

28 Er plante Anfang Juli direkt von Weimar zum Tonkünstlerfest nach Zürich zu fahren, vgl. den Brief an Richard
Pohl vom 3.5.1881, in: Liszt letters in the Library of Congress, hg. von Michael Short (Franz Liszt studies series
10), Hillsdale 2003, S. 228.

29 Vgl. Brief vom 23.6.82, in: LaMara (wie Anm. 25), S. 348.

30 Breisgauer Zeitung vom 4.7.1882, Nr. 153. Liszt wohnte im Haus des Bankiers Eugen Krebs, Münsterplatz 4.

31 Zum Programm siehe Breisgauer Zeitung vom 4.7.1882, Nr. 153 und Freiburger Zeitung vom 4.7.1882, Nr. 153.

32 Ludwig Dingeldey war seit Ende der 1870er-Jahre Schüler von Liszt. Seine erfolgreiche Karriere als Pianist gab
er in späteren Jahren zugunsten seiner zweiten großen Leidenschaft, der Schauspielerei, auf. Im Kreis um Liszt
galt er als Sonderling, von welchem auch Liszt sich in späteren Jahren distanzierte (vgl. The Death of Franz Liszt.
Based on the Unpuplished Diary of His Pupil Lina Schmalhausen, hg. von Alan Walker, Ithaca/London 2002,
S. 43). Engelbert Krebs schreibt: Ich habe zusammen mit Vater ihn Mitte der neunziger Jahre in Freiburg den
Oktavio Piccolomini spielen sehen. Es war eine Meisterleistung. Aber seine Nerven waren zerrüttet durch die
Ausübung zweier so aufwühlender Ausdruckskünste, und die starken alkoholischen Reizmittel, mit denen er sich
zu erhalten suchte, zerstörten seine Gesundheit vollends. Unbekannt und vergessen ist er gestorben, der das Zeug
in sich gehabt hatte, wenn nicht ein zweiter Liszt, so doch ein anderer Bülow zu werden, StadtAF, Kl/107, Nr. 27,
S. 11 (Erinnerungen an E. Krebs [Manuskript]).

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