Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 479
(PDF, 135 MB)
Bibliographische Information
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1907/0482
„Ich! Mein Kopf steckt mit in der Schlinge, und er ist mir so
lieb wie anderen Menschen der ihre. Aber die Zeit drängt, Gräfin! Bald
ist das alte Raubnest, Kunos ehemalige Burg, wieder wohnbar gemacht, •
und dann wird der Junker davon Besitz nehmen. Ich kann mich aber
für des Junkers Willfährigkeit nur solange verbürgen, als ich ihn in
Eurer Nähe weiß."

„Und es gibt gar keinen anderen Weg, der uns zum gleichen Ziele
führen kann?"

„Ich weiß keinen."

Die Gräfin war schweigend an das hohe Fenster getreten und sah
hinaus. Aber ihre Blicke flogen unstet umher und deuteten auf den
Kampf, der in der Brust dieses leidenschaftlichen Weibes tobte. Sie war
eine jener Naturen, die noch voll der Erde angehören und in dem uneingeschränkten
Sichausleben und Ausgenießen den Zweck ihres Daseins
sehen. Sie konnte es sich ruhig sagen, daß sie ihrer Leidenschaft zuliebe
vor nichts zurückschrecken würde. Sie wußte sich fähig, ihren
Gemahl mit kaltem Blute zu ermorden, wenn sie sich dadurch die Gunst
desjenigen hätte erobern können, für den ihr Herz fühlte und der ihre
Sinne entflammte — für den Magister hätte sie noch vor kurzer Zeit
alles getan -- aber sich an einen wegzuwerfen, der ihr nicht einmal
sympathisch war, so weit hatte sie es noch nicht gebracht.

Und doch — es mußte sein. Die Rolle, die sie neben dem Grafen
zu spielen gezwungen war, mußte ein Ende nehmen. Das konnte sie
nicht länger mehr ertragen, sie fühlte es, daß sie an der Grenze angelangt
war. Das Weib des gealterten Mannes zu sein, hätte sie sich noch
gefallen lassen, aber als eine Geduldete, Schuldbewußte Zeit ihres Lebens
von seiner Gnade, seiner Laune abzuhängen — ein armseliger Zustand,
bedeckt mit äußerem Glanz und Schimmer — das empörte ihren Stolz
und rüttelte alle wilden Instinkte in ihr auf.

Freilich, sie selbst trug die Schuld an ihrer Lage. Wie jüngst für
den Magister, so war sie vor mehreren Jahren in einen jungen Ritter in
Liebe entbrannt, der am Hofe ihres Gemahls lebte. Sie schloß die Augen
und durchlebte im Geiste noch einmal jene Zeit. Der junge Ritter war
stürmisch und kühn* er verhielt sich nicht so ablehnend wie der Magister
und mit süßem Erschauern gedachte sie seines kecken Wagemutes, der
die Gunst der Stunde zu benützen wußte. Lange hatte das heimliche
Liebesglück gewährt, bis sie vom Grafen überrascht wurden. Ihr Geliebter
wurde vor ihren Augen von ihm getötet Sie fand Gnade —
keine Verzeihung — aber die Gnade, daß sie vor den Augen der Welt
das ehrbare Weib des Grafen bleiben durfte. Aber vor ihm war sie erniedrigt
. Täglich und stündlich mußte sie es in seinen Blicken lesen,
wie sehr er sie verachtete, wie sehr er sie nur duldete. Nein — lieber
das größte Opfer — aber ein Ende! Und entschädigen wollte sie sich
für all die Qualen der heimlichen Demut und Schmach; Herrin wollte


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