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Mannheimer
linuskreuz dicht nebeneinander und rieben uns die Augen. Mein
Vater sprach nun: „Nikiaus, wie kommen wir neben das Kreuz
zu sitzen? oder träume ich?" „So ist es auch mir", sagte ich,
„doch horchet, Vater, man läutet ja noch im Herrenberg zum
Begräbnis." „Da ist es doch kein Traum, was wir sahen", erwiderte
mir der Vater, „gewiss haben wir nicht geträumt, sonst
wären wir nicht bei diesem Kreuz; ja, ja, so ist es, Nikiaus,
wir haben gewacht und nicht geträumt." Nun schlug es 4 Uhr
auf dem Kirchturm und wir gingen dann nach Haus, und auf
den Abend gingen wir beide, der Vater und ich, zum Herrn
Pfarrer und erzählten ihm die Geschichte, worauf er mit der
Achsel zuckte und uns bat, es doch nicht weiter zu erzählen,
was ich auch bis heute gehalten habe. (Fortsetzung folgt.)
Ein Bauerngespräch ans dem Jahre 1738
in schwäbischer Mundart.
Mitgeteilt von Albert Mannheimer.
In einem Sammelbande von Flugschriften auf Jud Süß
(München, Hof- und Staatsbibl. Biogr. 242) findet sich das
folgende interessante Stück:
„Das lamentirende Jud-Süßische Frauenzimmer Unter dem
grossen eisernen Galgen vor Stuttgardt draussen, Wie solches
Die wieder dahin gekommene Zwey Würtembergische Bauren /
Nemlich Veit Dudium von Wurmberg und Hanß Michel Sauer
von Plieningen antreffen / ansehen / und anhören / auch darüber
raisoniren / anbey jeder dem andern was Neues communicirt." 1
Der dem Flugblatt beigeheftete Kupferstich zeigt den Galgen,
an dem Jud Süß in einem Käfig hängt. Eine auf einer Ofengabel
durch die Luft reitende Hexe bringt ihm einen Brief.
Den Galgen umgeben sieben Maitressen des Süß. Veit und
Michel stehen in der Nähe des Galgens und unterreden sich
über das, was sie sehen.
Die folgenden 8 Verse stehen nebst 20 andern in hochdeutscher
Sprache abgefassten auf dem Kupferstich.
1 Vgl. über ein ähnliches Bauerngespräch Steiff & Mehring,
Geschichtl. Lieder und Sprüche Württembergs. Liefg. 5, S. 664 ff.
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