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Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften [Hrsg.]
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften
24.1908
Seite: 311
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werden sollte, nicht selten aber auch mangelhafte Kenntnis der Mundart
beim Dichter selbst.

2. Zuweilen wird die Mundart in bestimmten Rollen nur gleichsam
durch ein paar Stichproben angedeutet, gar nicht durchgeführt; ihre Durchführung
blieb der Improvisation des Schauspielers überlassen (vgl. Lowack
S. 85, 136). Dies Verfahren erklärt sich aus dem Bequemlichkeitsbedürfnis
des Dichters, dem, selbst wenn er mit der betreffenden Mundart vertraut
war, die schriftliche Festsetzung mundartlicher Formen mitunter erhebliche
Schwierigkeiten bereitet haben mag.

3. Das älteste englische Stück, worin die Mundart beträchtlich hervortritt
, ist die bald nach 1553 geschriebene anonyme Moralität mit katholischer
Tendenz „Respublica" *. Das älteste erhaltene deutsche Drama,
worin die Mundart begegnet, ist Franz Oemeckes „ Komödie" „Dämon
und Pythias" (1578), deren Stoff uns durch Schillers Ballade „Die Bürgschaft
" vertraut ist2. In beiden Literaturen taucht also die Mundart im
Drama seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf. Eine Verwendung
der Mundart innerhalb der Schriftsprache und im bewussten Gegensatz
zu dieser hat das Vorhandensein einer solchen Schriftsprache zur notwendigen
Voraussetzung. Die ungefähre Gleichzeitigkeit des Auftretens
der Mundart in beiden Literaturen erklärt sich sehr einfach daraus, dass
sowol die deutsche als auch die englische Schriftsprache sich etwa gleichzeitig
, zu Beginn der Neuzeit, herausgebildet hatten.

4. Auch der Zweck der Mundart ist im Drama beider Literaturen
der gleiche. Sie dient entweder zur Karakteristik: ihre Träger sollen als
aus einer bestimmten Gegend stammend oder als zu den unteren Volksklassen
gehörig gekennzeichnet werden. Oder sie dient einem komischen
Zweck, indem sie bei den andern Personen des Stücks Missverständnisse
und Wortverdrehungen hervorruft. Ähnliche Zwecke dürfen wir aber auch
in jeder andern Literatur bei Dichtern voraussetzen, die mundartliche
Rede in die Schriftsprache einflechten.

Wichtiger als solche äußerliche, zum Teil selbstverständliche Ähnlichkeiten
sind die vorhandenen Unterschiede; denn diese beruhen auf der
Wesensverschiedenheit beider Völker:

1. Im englischen Drama des 16. und 17. Jahrhunderts kommen überhaupt
nur drei Mundarten vor: Hauptmundart ist die südwestliche der
Grafschaften Devon, Somerset und Dorset, die in Londoner Schriftstellerkreisen
als Bauerndialekt schlechthin verwertet zu werden pflegte; außerdem
findet sich noch die nordenglische und die mit ihr nah verwandte
schottische Mundart. Zwar bevorzugt auch das deutsche Drama eine bestimmte
Mundart vor allen andern, nämlich die niederdeutsche; daneben
findet sich aber auch die thüringische, schlesische und schwäbische, ver-

1 Vereinzelte Spuren der Mundart finden sich allerdings schon in
Bales protestantischer Moralität „Comedy concerning Three Laws" (1538
gedruckt).

2 Ein merkwürdiger Zufall ist es, dass der gleiche Stoff um 1564
auch in einem englischen Drama „Dämon and Pithias" von Richard Edwards
behandelt wurde, das auch mundartliche Bestandteile enthält. Diese selbst
sind aber inhaltlich denen des deutschen Stücks durchaus unähnlich.


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