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Eugenie Fürstin von Hohenzollern-Hediingen

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Wie sehr ihr die Ausführung am Herzen lag, zeigt das großzügige Testament,
in dem sie zur Verwirklichung dieser Idee eine große Summe aussetzte.

Die von Kohler entworfene Denkschrift, ein ziemlich umfangreiches Aktenstück
, hat Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, der Testamentsvollstrecker
der Fürstin, in den Band einbeziehen lassen, der das Testament
der Fürstin samt allen Abwicklungsbelegen und -unterlagen enthält.

Die Lage der untersten Volksklasse, wie sie Kohler bezeichnet, scheint im
Fürstentum Hechingen geradezu katastrophal gewesen zu sein. Lassen wir ihn
selbst zu Worte kommen: „Junge Leute, der Schule noch nicht entlassen, wohnten
nächtelang ohne Aufsicht den Lustbarkeiten bei. Sie würden sich nicht schämen,
um Almosen vorstellig zu werden, verfallen der Genußsucht und eitlen Hoffart
, keine Arbeitsamkeit, keine Sparsamkeit sei zu finden. Jungen, kräftigen weiblichen
Individuen müßten Almosen verabreicht werden, damit sie sich und ihre
unehelichen Kinder verhalten können. Kinder aus der Bettelklasse waren die
frechsten und unbändigsten, mit zehn bis zwölf Jahren Sünden anheim gefallen
, von denen der Apostel sagt, sie sollen unter Christen nicht einmal genannt
werden. Für uneheliche Kinder, deren Mütter auswärts waren, wurden
monatlich oft vier bis sieben Gulden bezahlt. Die wahren Armen litten Not.
Von fünfundfünfzig Kindern sind mehr denn vierzig unehelich. Von den Eltern
der fünfundfünfzig Kinder haben viele nichts Eigenes. Schon vor der Geburt
mußte für ein Lager aus öffentlichen Posten gesorgt werden. Vier bis acht Personen
sind oft auf eine kleine Hütte beschränkt und können dort ihre Eltern
aktiv sehen. Die Kinder erreichten schon im schulpflichtigen Alter einen hohen
Grad von Verderbtheit. Die Kinder müssen betteln. Schulversäumnisse, Widerwillen
gegen die Schule, kein Kirchenbesuch, weil sie keine Kleidung hätten,
mangelhafte Religionskenntnisse seien an der Tagesordnung. Auch stehlen die
Kinder oder treiben in Wald und Flur Frevel. Was sie erbetteln, vernaschen
sie... Später werden Private um Kosttage angegangen, um Wochen- und Monatsgelder
während der Lehrzeit... Die Mädchen wenden ihren ersten Verdienst
an Fetzen, an ein Kleid, das den Juden auf monatliche Bezahlung abgeschachert
wird... In einen ordentlichen Dienst geht selten eine arme Hechinger Jungfer!
Weil sie sich nicht an eine geordnete Hausordnung gewöhnen mögen. Um Lohn
kochen, nähen, Wasser tragen, sogenannte Schabbesgojen (Schabbesmägde) machen,
das ist ihnen lieber, weil sie über sich selbst und über ihre Zeit nach Wohlgefallen
dabei verfügen können, und so rennen die Mädchen der unteren Volksklassen
einem leicht zu erratenden Unglück entgegen, das im günstig scheinenden
Falle mit einer Heirat gut gemacht werden soll, die aber erst den Vorhang
eines neuen verzweifelnden Dramas lüftet, wie Dutzende von Beispielen hinlänglich
beweisen. Die männliche Jugend geht selten nach auswärts in Arbeit,
es mehren sich, wenn das Geld nicht reicht, Wald- und Felddiebstähle und
nächtliche Einbrüche, langt das Geld zu Wein und Bier nicht, wird Schnaps
getrunken. Die Tochter darf häufig Dirne werden, wenn sie nur beisteuert und
etwas Erworbenes nach Hause bringt. Auf diese Arten wächst der Bettelhaufen.
Neun- bis Zwölfjährige kommen als erwiesene Diebe in gerichtliche Untersuchung
. Kinder selbst begehen Unzucht. Seit zehn Jahren betrachte ich ein
ähnliches Treiben dahier, und nehme wahr, daß es sich von Jahr zu Jahr mehre.
Seit zehn Jahren nahm ich wahr, daß Faulenzern und schlechten Wirten in besten
Jahren Hausmiete bezahlt, Holz und Kleidung angeschafft wird. Daß elende


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