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Buckcnmaier

Die Stadt war voll von Bestürzung und Aufregung, die sich auch über das
ganze Fürstentum ausbreitete. Jede Arbeit ruhte. Noch wollte die Bevölkerung
die Nachricht nicht glauben. Allerlei Gerüchte tauchten auf. Als es hieß, die
Fürstin könne die Reise mit Wagen nicht mehr fortsetzen, erboten sich Bürger,
sie nach Hechingen zu tragen. Vom Zwinger des alten Schlosses aus übersah
man die Haigerlocher Straße. Von dort erwartete die Bevölkerung Eilboten.
Schließlich kamen Personen aus dem Gefolge der Fürstin, die bestätigten, was
man schon längst wußte, aber nicht fassen konnte. Kein Auge blieb tränenleer
und tiefe Trauer senkte sich über die ganze Stadt und das Land, die ihren
Höhepunkt erreichte, als die tote Fürstin in ihrem Wagen nach Mitternacht eintraf
. Ein Augenzeuge berichtet über die Heimkehr der toten Fürstin:

„Der Abend des 1. September 1847 neigte sich zu Ende. Wie in einen Trauerflor
eingehüllt stieg die Sonne im Westen hinab und ihr letzter Scheidegruß
schien der eines Sterbenden zu sein. Düstere Wolken zogen in großen Haufen
von Westen nach Osten; dort her kamen sie, von wo der Todesbote die schreckliche
Nachricht der allgeliebten Fürstin gebracht, dort her, wo Hechingens schönster
Stern untergegangen war. Banges Schweigen erfüllte die ganze Natur, nur
Todesstille herrschte besonders in Hechingen. Alle Freude war verstummt, alle
Geschäfte ruhten und selbst die Klagen schwiegen. Groß war der Schmerz um
die gute Fürstin und eine größere, innigere Teilnahme ist wohl noch selten
einem Sterblichen erwiesen worden. Schon des Tages über sammelte sich in der
Schloßgasse eine große Volksmenge, die durch lautloses Hin- und Hergehen
einen so großen wohltuenden Gegensatz zu dem Geräusch und Getöse bildete,
welche beide unzertrennliche Gefährten des Zusammenseins großer Volkshaufen
sind. Von allen Seiten her wogten gegen Abend größere und kleinere Züge
dem Schloßplatze zu. Alle wollten die Fürstin nochmals sehen, ihr die letzte
Huldigung darbringen. Mit Anbruch der Nacht war der Platz immer noch mit
vielen Menschen bedeckt und selbst der kalte Nachtfrost konnte keinen bewegen
, nach Hause zu gehen und der Ruhe zu pflegen. Es war ja ein kleines
Opfer, das man der Fürstin für alle Liebe und Güte darbrachte. Es schlug
die Mitternachtsstunde, nur die dichte Finsternis, die ohnehin so leicht das
menschliche Herz mit düsteren Ahnungen erfüllt, versetzte die Harrenden in
wahrhaft peinliche Lage. Da flössen Tränen, dort stiegen fromme Gebete für
die Verstorbene zum Himmel; da starrte ein Auge hin nach dem Ort, wo
Hechingens schönstes Licht erloschen; dort preßte eine Mutter ihre Tochter an
das Herz und sie falteten ihre Hände und blieben im Gebet versunken. Endlich
hörte man in der Ferne den Hufschlag der Pferde und das Rollen eines Wagens
und ein dumpfer, schmerzvoller Ruf durchdrang die Reihen: „Sie kommt! Sie
kommt!" O, es ist ein eigentümlicher Zug des menschlichen Herzens, daß es
immer hofft und hofft, ja selbst Tote gewissermaßen lebendig hoffen möchte,
und daß es erst mit dem Einsturz der letzten Trümmer seiner Hoffnung die
Größe seines Unglücks ermessen kann. In diesem Zustand befanden sich die
Harrenden, daher der Ruf: „Sie kommt!" Vielleicht ist sie doch nicht gestorben;
vielleicht — doch in diesem Augenblick hauchte sie der Engel des Schmerzes
auf Neue an und rief ihnen zu: „Nein, die Mutter lebt nicht mehr, sie ist
gestorben!" Die Mutter ist gestorben! Ach, welch ein schreckliches Wort für ein
liebendes Kind.

Die Angst steigerte sich von Sekunde zu Sekunde, und je näher der Wagen


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