Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1966/0026
Schwarzmaier

betont, die Adelsforschung sei heute hinter modernere Betrachtungsweisen der Geschichtswissenschaft
zurückgetreten und setze sich dem Vorwurf besonders konservativer
Haltung aus *, Dies ist insofern richtig, als die weitgehend von Genealogie
und Besitzgeschichte adliger Familien bestimmte Forschung ihre Grenzen erreicht
hat und nun versucht, mit subtileren Methoden der Quelleninterpretation zu
einer Verfeinerung und Präzisierung der Ergebnisse zu gelangen. Doch sollte dies
nicht dazu führen, neuere Arbeiten auf diesem Gebiet abzuwerten, weil sie sich
um die Lösung von Fragen bemühen, die in unserem Land etwa Christof Friedrich
Stalinl, Ludwig Schmids oder audi Sebastian Locher4 schon gestellt und im
Rahmen ihrer Möglichkeiten beantwortet haben. Wie sehr sich jedoch gegenüber
dem letzten Jahrhundert die Arbeitsweisen verfeinert haben, ist unten zur Genüge
zu zeigen.

Wichtiger scheint uns der Hinweis darauf, daß die Adelsforschung ihrem
Wesen nach einem höchst modernen Wissenschaftszweig, der Sozialgeschichte,
verhaftet ist und zur Lösung ihrer Fragen mit personengeschichtlichen Methoden
beizutragen versucht. Gerade Bosl hat auf die fruchtbare Begegnung von landesgeschichtlicher
Einzelforschung und soziologischem Denken hingewiesen5, wie sie
sich etwa in dem Werk Otto Brunners vollzogen habe*. Für unsere begrenztere
Frage ist vor allem an Otto v. Dungern7 oder im württembergischen Bereich an
Viktor Ernst8 zu erinnern, die schon vor Jahrzehnten die Bedeutung des Adels als
Träger mittelalterlicher Herrschaft und mittelalterlichen Staatsaufbaus hervorgehoben
hatten. Gerd Tellenbach überdachte die Möglichkeiten einer Prosopogra-
phie aller mittelalterlichen Amtsträger' und gab den Anstoß zu einer intensiveren
Erfassung der mittelalterlichen Führungsschichten des Reichs. Zu deren Verständnis
hat wiederum Karl Bosl Wesentliches beigetragen 10 und hat mit seinen Forschungen
zur Reichsministerialität „neue Wege der Sozialgeschichte" 11 gewiesen. Von daher
gesehen dürfte auch seine anfangs wiedergegebene Bemerkung nur auf einen
Teilaspekt moderner Adelsforschung gemünzt gewesen sein. Ohne Zweifel sind
die wissenschaftlichen Fragen unserer Generation nicht mehr von den Problemen

1 Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschiente (Zur Geschichte des 12. Jahrhunderts, Frühjahrstagung
auf der Reichenau), Vortrag vom 31. 3. 1966

2 Chr. Fr. Stalin, Wirtembergische Geschichte 2, 1847

• L. Schmid, Geschichte der Pfalzgrafen v. Tübingen, 1853

4 S. Lo&er, Regesten zur Geschichte der Grafen v. Veringen, 1872, sowie Mitt. d. Ver. f. Gesch. und
Altertumskunde in Hohenzollern 2 (1868/72) ff.

5 K. Bosl, Geschichte und Soziologie, in: Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa.
Ausgewählte Beiträge, 1964, S. 472

• O. Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Südostdeutschlands
im Mittelalter, 1959 *

7 O. V. Dungern, Der Herrenstand im Mittelalter, 1908; Ders., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927

8 V. Ernst, Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Ders., Mittelfreie. Ein Beitrag zur schwäbischen
Standesgeschichte, 1920

• G. Tellenbach, Zur Bedeutung der Personenforschung für die Erkenntnis des früheren Mittelalters,
Freiburger Universitätsreden NF 25, 1957, S. 16

10 A'. Bosl, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer. Ein Beitrag zur Geschichte des hoch-
mittelalterlichen deutschen Volkes, Staates und Reiches (Sehr, der MGH 10), 2 Bde. 1950/51;
Ders., Die Reichsministerialität als Element der mittelalterlichen deutschen Staatsverfassung im
Zeitalter der Salier und Staufer, in dem Anm. 5 zit. Bd. S. 326 ff.

11 O. Brunner, Neue Wege der Sozialgeschichte. Ges. Aufs. 1956; Ders., Das Problem einer europäischen
Sozialgeschichte, HZ 177 (1954) S. 469 ff.

24


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1966/0026