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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1967/0224
Kaufhold

wieder einer jener Differenzpunkte zwischen unsern Anschauungen heraus, die ich
Eurer Königlichen Hoheit mitzutheilen verpflichtet bin, weil dieselben auf die Gestaltung
von Höchstderselben Sammlungen von wesentlichem Einfluß sind. Wie
Mayenfisch sich bei der Aufstellung der Waffen rein von dem Gesichtspunkt leiten
ließ, die gegebenen Räume auf eine gefällige, das Sonntagspublikum aller Stände
bestechende Weise zu dekoriren (obwohl auch hierin sich über Manches rechten
läßt), so ist es ihm auch bei der Aufstellung des einzelnen Kunst- oder Cultgegen-
standes nur um ein in die Augen springendes Ganzes zu thun. Die Ergänzungstheorie
hat gewiß, richtig verstanden und angewandt und an rechtem Orte und zu
einem bestimmten Zwecke, ihre volle Berechtigung, aber ganz hiervon abgesehen
ist es jedenfalls unrichtig, einen Crucifixus aus dem 12. mit einem Kreuz aus dem
14. Jahrh. u. dsgl. zu verbinden. Das macht auf das Auge des Kenners denselben
Eindruck, wie wenn man aus 2 Akten von Schiller und 2 Akten von Kotzebue ein
Drama zusammensetzte oder wenn man an dem Kriegsknechtskittel des 17. Jahrh.
unsere modernen Frackschöße hinten anheftete. Es ist übrigens ein solches Verfahren
der Ausfluß derselben trödlerhaften Werthschätzung der Kunstgegenstände, wie
ich sie Euer Königlichen Hoheit schon mündlich charakterisirt habe und wie dieselbe
bei soviel Kunstliebhaberei, Kunstinstinkt und Kunstsinn nur durch Berücksichtigung
des Gesammtbildungsganges und -Standes des Mannes zu erklären ist.
Ein pietätsvolles, wie mit einer gewißen heiligen Scheu und Achtung vor allen
Lebensäußerungen verknüpftes Vertiefen und Sichhineinversenken in das Leben der
Vorzeit zum Zwecke der Erkenntniß des stäten und allmäligen Entwicklungsgangs
der Menschheit und zum Zwecke der Wiedererweckung und Wiederanwendung noch
lebensfähiger, wenn auch verlebt geglaubter Lebensformen für die Gegenwart ist
nicht denkbar. Dagegen findet sich noch der greise Rest eines gewißen romantischen,
längst lächerlich gewordenen Hinüberträumens in dämmerhaft erkannte und darum
nur reizend vor der eigenen Phantasie ausgestattete Zustände, die Nachklänge
einer Sehnsucht nach der „mondbeglänzten Zaubernacht, die den Sinn gefangen
hält", wie sie noch vor etwa 40 Jahren, obwohl schon in letzter Nachblüthe, Mode
war. Anstatt eines strengen historischen Wahrheitsgefühls, das, wenn auch mit herber
Resignation, sich in die oft schmerzlichen Folgen eines erkannten Irrthum fügt,
eine gewiße marktschreierische Plusmacherei und die Sucht, den Leuten mittelalterlichen
Sand in die Augen zu streuen. Sind diese Züge richtig und denkt man sich den
Träger derselben in voller ungehinderter Wirksamkeit beim Arrangement einer
kunst- und culturhistorischen Sammlung, was muß da herauskommen? Statt einer
bescheidenen streng historischen, wissenschaftlichen Aufstellung ein pompöser, buntscheckiger
, verwirrender Trödlerladen. Hiermit will ich natürlich den mannigfaltigen
und wirklichen Verdiensten des H. v. M. nicht näher treten, was auch garnicht
geschehen kann, da sie nach einer anderen Seite als nach der Seite der Wissenschaft
liegen, sodann durch die scharfe Antithese obiger Contraste will ich nur meinen
Standpunkt so klar machen, wie dies in einem Brief geschehen kann, und will diesen
Standpunkt gegenüber von allem, was geschehen ist und geschehen wird, wahren
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