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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1967/0227
Verfassungsgesdiidite und Landesgesdiichte

germanischen Volkes gewesen, mit Gaufürst, Gauführer, Gauversammlung, Gauburg
; in fränkischer Zeit seien die Gaufürsten durch die Gaugrafen ersetzt worden;
aus dem Gau sei so die Grafschaft, die „Gaugrafschaft" hervorgegangen, ein „kanonischer
Lehrsatz" der Verfassungs- und Landesgeschichte. Dieses System begann
zu wanken seit der 1927 veröffentlichten Dissertation von Albert Bauer, einem
Schüler des Tübinger Historikers Johannes Haller. Heinrich Dannenbauer und der
Germanist Peter von Polenz gelangten zu der Erkenntnis, daß die Gaue keine
politische oder Verfassungseinheit waren, an die sich die Grafschaft hätte anschließen
können, sondern eine Bezeichnung von natürlichen Räumen und Landschaften
mit meist fließenden Grenzen. Dadurch ist nun auch der Weg frei für eine neue
Betrachtung der Grafschaft. Zwar bietet die moderne Forschung bislang mehr Fragen
als Antworten, doch man ist schon weiter gekommen allein durch das Aufgeben
der früheren, zu engen Betrachtungsweise der Grafschaften. An die Stelle der
Grafschaft ist neuestens eine Anzahl von Herrschaftsformen getreten, die mit der
Grafschaft bzw. dem Grafenamt in Beziehung stehen. Dr. Baaken gab dazu einen
Katalog der grundlegenden Erkenntnisse, die bisher zu diesem Problem gewonnen
wurden und aus denen abzulesen ist, in welcher Richtung sich die Forschung zur
Zeit bewegt:

1. Nicht alle Einrichtungen und Personen, die comitatus bzw. comes heißen, sind
gleich nach Umfang, Funktion und Entstehung.

2. Die Grafschaft muß nicht überall ein geschlossener Bezirk sein; sie kann auch
voneinander getrennte Landstücke umfassen; sie kann auf Güter bestimmter
Rechtsqualität beschränkt sein (z. B. Königsgut); mit dem Namen Grafschaft
kann ein Verband bestimmter Personen (etwa von gleicher Rechtsqualität, z. B.
Freigrafschaft) bezeichnet sein, ohne daß diesem Verband auch ein räumlich
begrenzter Bereich entsprechen müßte.

3. Graf, lateinisch comes, kann ein Titel sein, der dem Träger als Ehrentitel ohne
daraus erwachsende Rechte und Pflichten verliehen ist.

Als drittes Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Verfassungsgeschichte
und Landesgeschichte behandelte Dr. Baaken Fragen um Dorf, Dorf-
markung und „Markgenossenschaft". Dorf liehe Siedlungs- und Verfassungsgeschichte
waren im deutschen Südwesten immer bevorzugte Objekte der Verfassungs- und
Landesgeschichte. Beide Disziplinen haben hierin bis in die letzten Jahrzehnte Lehren
entwickelt, die auch auf außersüdwestdeutsche Landschaften angewendet wurden
und in die Handbücher eingegangen sind. Kern der Lehre bildete die (behauptete
, besser gesagt geglaubte) Kontinuität der alemannischen Dorfmarkungen und
Dorfgenossenschaften der Landnahmezeit mit denen des späten Mittelalters und
der frühen Neuzeit. Die ältere Forschung vertrat die Ansicht: „die ,freien' Alaman-
nen siedelten jeweils mehrere Sippen in einem Verband, der sog. Markgenossenschaft
'; die Mark bestehe aus Ackerland (das samt Haus und Hof Stätte Sondereigentum
des Einzelnen war) und Allmende (bes. Weide und Wald), an der alle
,Märker' ein Nutzungsrecht hatten. Im übrigen seien diese Genossenschaften der
alamannischen Dörfer von Anfang bestimmt durch Dreifelderwirtschaft und Flurzwang
, ausgeübt unter der Leitung des .Obermärkers'."

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