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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1969/0238
Neues Schrifttum

schritte erzielen ließen2. Und hier setzt nun die neue Aktenedition ein. Fuchs möchte in
erster Linie anhand der gezielt vorgelegten Dokumente - Briefe und Aufzeichnungen des
Großherzogs und anderer ihm nahestehender Personen - zeigen, welche Rolle das Landesfürstentum
in der Reichspolitik noch gespielt hat.

Das Organ, durch das sich die Landesherren zur Geltung bringen konnten, war der
Bundesrat. Der Großherzog hat ihn, als seinen Verfassungsidealen wenig entsprechend,
nicht sehr hoch eingeschätzt. Er hätte lieber in Ergänzung zum Reichstag ein Staatenhaus
und verantwortliche Reichsministerien gesehen. Er mußte auch bald die Erfahrung machen,
daß der Bundesrat mehr oder weniger ein Instrument in der Hand des Hegemonialstaates
Preußen und damit Bismarcks war, die dem Einfluß nichtpreußischer Länder enge Grenzen
zogen. Dazu kam die Scheu, dem starken Mann Opposition zu machen, teils weil man
ihn fürchtete, teils weil man nicht die Geschäfte der „Reichsfeinde" besorgen wollte, teils
weil man sich in Reichsangelegenheiten nicht sachverständig genug fühlte. So konnte eine
Weisung des Großherzogs an den Bevollmächtigten Badens im Bundesrat in Sachen des
Septennats von 1874 lauten: „Ich bin für Zustimmung des dem Bundesrat von Preußen
gestellten Antrags auf siebenjährige Feststellung der Friedenspräsenz, obgleich ich grundsätzlich
dagegen bin" (S. 157, Anm. 1). Das in einem solchen Votum zum Ausdruck kommende
Gefühl der Ohnmacht, sich in Reichsfragen auf verfassungsmäßigem Weg zur Geltung
zu bringen, war ohne Zweifel mit ein Grund, daß der Großherzog die Möglichkeiten
zu nutzen suchte, die ihm seine Verwandtschaft mit dem Kaiserhaus an die Hand gab.
Fuchs hat das weitverzweigte und in der Tat höchst rührige Netzwerk der wechselseitigen,
auf Einflußnahme bedachten Beziehungen durchschaubar zu machen gewußt. Dabei fiel
auch manches Licht auf den Berliner Hof, auf Angehörige der kaiserlichen Familie wie auf
andere Persönlichkeiten. Verständlich wird aber auch der immer wieder neue Ärger Bismarcks
über die sich hinter den Kulissen abspielende Geschäftigkeit wie seine stets neuen,
nicht immer honorigen, im ganzen aber erfolgreichen Bemühungen, den Kaiser gegen diese
Einflüsse abzuschirmen und auf seiner Seite zu halten. Das Ergebnis war freilich, daß sich
für die deutschen Fürsten auch dieser inoffizielle Weg der Mitsprache als wenig ergiebig
erwies. Nicht zuletzt darauf ist zurückzuführen, daß der Großherzog und seine Freunde,
Peter von Oldenburg, Karl Alexander von Weimar, auch Karl Anton von Hohenzollern-
Sigmaringen, von dem einige Briefe aufgenommen sind, zunehmend gereizter auf Bismarck,
den „Diktator" und „Usurpator", reagierten. Natürlich schlug dabei auch wieder das andere
politische Herkommen der hocharistokratischen „Whigs" durch, ein Herkommen, das sie
dann auch befähigte, den Finger auf manchen wunden Punkt in der inneren Entwicklung
des neuen Reiches zu legen.

Wenn man nun allerdings nach den Alternativen fragt, die die fürstliche Oppositionsgruppe
anzubieten hatte, wird man enttäuscht. Daß z. B. die Ultramontanen als Gefahr für

2 Eine sehr detaillierte Untersuchung über das vorrangig liberale Jahrzehnt der badischen Geschichte
hat Lothar Gall geschrieben: Der Liberalismus als regierende Partei. Das Großherzogtum Baden
zwischen Restauration und Reichsgründung. Wiesbaden: Steiner 1968. (Veröffentlichungen des
Instituts für Europäische Geschichte. Bd. 47) Gall zeichnet den Weg nach, den eine dem parlamentarischen
Staatsgedanken verpflichtete Partei im Jahre 1860 zum „Erfüllungsgehilfen" Bismarcks
zehn Jahre später ging. Einen Teilaspekt dieses Wandels behandelt er in seinem Aufsatz: „Die
partei- und sozialgeschichtliche Problematik des badischen Kulturkampfes" in: Zeitschrift f. d. Geschichte
des Oberrheins, Bd. 113, 1965, S. 152-196. Wie sehr in der Tat auch der Großherzog zu
einem „Erfüllungsgehilfen" geworden war, kann Josef Becker anhand einer Spezialfrage dartun:
Baden, Bismarck und die Annexion von Elsaß und Lothringen, in: Zeitschrift f. d. Geschichte des
Oberrheins, Bd. 115, 1967, S. 167-204. Der Aufsatz zeigt, wie der Großherzog und seine Regierung
sich von Anfang an für eine Annexion der französischen Departements durch Preußen einsetzten
.

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