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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1969/0242
Neues Schrifttum

giöse Motivation der Sozialfürsorge als die primäre akzeptiert, nicht nur für den Religionsund
Kirchenhistoriker bedeutsam, sondern sie bleiben darüber hinaus als Konzentrationsformen
erheblicher Stiftungsvermögen, als Körperschaften mit weitreichenden Selbstverwaltungsfunktionen
für die Wirtschafts-, Rechts- und Verfassungsgeschichte gewinnträchtige
Forschungsobjekte. Dem verfassungsgeschichtlichen Aspekt geht vor allem die auf profunder
Quellenkenntnis aufbauende Studie von Rudolf Seigel nach. Durch die ökonomische
Bedeutung, die soziale Funktion und die religiöse Motivation der städtischen Spitäler sind
diese Institutionen dazu prädestiniert, Objekte der Interessenkollisionen von Kirche, Stadt
und Landesherrn zu werden. Durchaus konsequent daher die Fragestellung des Verfassers
nach dem Verhältnis der Spitäler zur geistlichen und weltlichen Obrigkeit, nach den Beziehungen
zwischen Stadt und Landesherr. Seigel mußte sich auf einen Quellen- und Forschungsstand
sehr unterschiedlicher Breite stützen. Für die Geschichte der reichsstädtischen Spitäler
liegt entsprechend der intensiven Erforschung der Reichsstädtegeschichte geordnetes Material
vor. Bei den altwürttembergischen Landstädten setzt dagegen die Überlieferung sehr spät
ein und ist überaus spärlich. Die Anlage der Arbeit ist klar und übersichtlich. Der Verfasser
zeichnet zunächst mit einem Oberblick über die reichs- und landstädtischen Spitäler den
allgemeinen Rahmen, in den er dann die Spitäler in der Grafschaft und im Herzogtum
Württemberg vor und nach der Reformation einordnet. Er erreicht damit ein doppeltes
Ziel: Mit dem württembergischen Beispiel kann er manche Schlußfolgerung für die allgemeinen
Verhältnisse in Südwestdeutschland bieten, und zugleich erscheint durch diese Einordnung
das württembergische Spezifikum viel profilierter. Bei der Behandlung der reichsstädtischen
Spitäler legt der Verfasser den Akzent auf die Ursachen, Methoden und Folgen
der Kommunalisierung ursprünglich klösterlicher oder bruderschaftlicher Spitäler. Den
wachsenden Anforderungen der städtischen Wohlfahrtspflege waren diese Institute im
13. Jahrhundert schließlich nicht mehr gewachsen. Dies betrachtet Seigel als eine der Ursachen
der starken Kommunalisierungstendenz in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Außerdem steht am Anfang der Kommunalisierung das Bestreben der Bürgerschaft, auf die
Administration dieser Wohlfahrtseinrichtungen durch städtische Pfleger und Spitalmeister
Einfluß zu nehmen. Die Kommunalisierung stieß naturgemäß in den Fällen auf den geringsten
Widerstand, in denen die Spitäler von der Bürgerschaft gestiftet waren und durch
ihren genossenschaftlichen Charakter des starken bischöflichen Rückhalts entbehrten. Damit
rührt der Verfasser an die politische Wurzel der Kommunalisierung. Er betont dabei mit
Recht den parallelen Verlauf der Kommunalisierung mit der Entwicklung einheitlicher, gut
funktionierender städtischer Gemeinwesen in der Zeit des Interregnums, als die Städte sich
ohne kaiserliche Hilfe gegen die Übergriffe der Landesherren wehrten mußten. Die Folgen
der Kommunalisierung sieht Seigel in einer „Bürokratisierung und Reglementierung der
Nächstenliebe" und in einer Beschränkung der karitativen Einrichtungen auf die Einheimischen
. Der Verfasser warnt davor, diese Kommunalisierung mit Säkularisierung gleichzusetzen
, weil der Zusammenhang der Spitäler mit der Kirche gewahrt geblieben sei und der
städtische Einfluß sich lediglich auf die Temporalia erstreckt habe. Man wird sich in diesem
Zusammenhang aber fragen müssen, ob unter Säkularisation nicht auch schon das Eindringen
rationaler, ökonomischer und politischer Motive in die Sozialfürsorge zu begreifen wäre.
Im Unterschied zu der Entstehung der reichsstädtischen Spitäler (13. und 14. Jh.) liegen die
Gründungen der Spitäler in landesherrlichen Städten in der Regel später (14. und 15. Jh.).
Wie eng die Stellung der Spitäler mit der verfassungsrechtlichen und politischen Situation
der Städte zusammenhängt, weist Seigel am Beispiel der vorderösterreichischen und badischen
Städte nach. In den vorderösterreichischen Städten mit ihrer relativ großen politischen
Autonomie standen die Spitäler unter starkem kommunalem Einfluß, während in
den badischen Städten der herrschaftliche Einfluß dominierte. Der Verfasser unterscheidet
drei Gruppen landstädtischer Spitäler:

1. die rein kommunal bestimmten Spitäler

2. die von kommunalen Behörden unter herrschaftlicher Kontrolle verwalteten Spitäler

3. die rein herrschaftlichen Spitäler.

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