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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0106
Hans Speidel

VIII. Würdigung der Persönlichkeit Blumenstetters

Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man Blumenstetter als die bedeutsamste
Persönlichkeit im Fürstentum Hechingen um die Mitte des letzten Jahrhunderts bezeichnet
. Blumenstetter war Pfarrer und Politiker in einem; er war beides aus
innerer Verpflichtung und mit ganzem Herzen. Aber er war beides auch ohne die
Ubersteigerung und ohne den Fanatismus, denen diese beiden Berufe mehr als andere
ausgesetzt sind. Blumenstetter stand zu sehr auf dem Boden der Wirklichkeit,
als daß er in Gefahr geriet, in Extreme zu verfallen.

In erster Linie war Blumenstetter Seelsorger. Er nahm diesen Beruf sehr ernst
und verwaltete sein Amt vorbildlich und gewissenhaft. Das bezeugen alle, die ihn
kannten, und das beweist auch die Achtung und Wertschätzung, die er bei seinen
Pfarrkindern genoß. Es wurde ausgeführt, mit welcher Sorgfalt er seine Predigten
vorbereitete. Auch wurde darauf hingewiesen, welchen Wert er dem Religionsunterricht
in der Volksschule sowie auch in der Sonntagsschule für die religiöse und
geistige Entwicklung der Jugend beimaß und wie gewissenhaft er ihn erteilte. In der
Pastoration war er, wie mehrfach erwähnt wurde, Anhänger Wessenbergs. Aber er
ließ sich auch hier nicht, wie manche andere, zu radikalen Schritten verleiten. Zwischen
der schädlichen Sucht und dem wahren Bedürfnis zu reformieren, ging er wie
sein Lehrer Wessenberg in der Mitte seinen bedächtigen, festen SchrittIM. So galt
seine kritische Einstellung gegen Prozessionen, Kreuzgänge und Bruderschaften in
den ersten Jahren nicht den Einrichtungen als solchen, sondern ihrem Überhandnehmen
und ihrer Vielzahl und den damit häufig verbundenen unerfreulichen Begleiterscheinungen
. Die von ihm neu eingeführte Form des Rosenkranzgebetes sollte
zum tieferen Eindringen in dessen Geheimnisse und damit zur Vertiefung der Andacht
der Gläubigen dienen. Auch die von ihm anfangs geübte Beichtpraxis der
gemeinsamen Vorbereitung mit gründlicher Gewissenserforschung und Weckung
eines echten Büß- und Besserungswillens dürfte bei der damals in religiösen Fragen
vielfach unzureichend ausgebildeten Bevölkerung sehr nutzbringend gewesen sein,
selbst wenn das Sündenbekenntnis des einzelnen dabei da oder dort etwas zu kurz
gekommen sein sollte. Als Anhänger des von Wessenberg so nachdrücklich betonten
Pfarrprinzips war Blumenstetter auch gegen das damals vielerorts übliche „Auslaufen
" der Pfarrangehörigen in Wallfahrtsorte und Klöster. Das erklärt zumindest
zum Teil auch seine Abneigung gegen die Mönche. Sicher ging er hier, besonders in
den Artikeln des „Volksfreundes", in seinen ablehnenden Äußerungen zu weit, wie
er auch den bewährten Grundsatz „fortiter in re, suaviter in modo" in jungen Jahren
häufig nur in der ersten Hälfte beherzigt hat. Die Einführung der Muttersprache
in der Liturgie, für die er so warmherzig, fast leidenschaftlich eintrat, hielt er im
Interesse einer wirksamen, dem Volk verständlichen Pastoration für dringend notwendig
. Zweifellos war er hier seiner Zeit voraus. Toleranz und Verständnis zeigte
Blumenstetter für Andersgläubige, vor allem auch für die evangelischen Christen.
Es wird berichtet, daß er Bilder von Luther und Melanchthon in seiner Wohnung

285 So Mercy über Wessenberg bei Keller S. 371.

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