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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0116
Hugo Lacher

dürfnis, über eine auf diese Weise gewährleistete Unabhängigkeit der süddeutschen
Staaten der Demokratie eine Chance zu erhalten, denn, wurde bis hin zu dem aus
Hessen stammenden und den süddeutschen Demokraten nahestehenden Wilhelm
Liebknecht argumentiert, sei Deutschland erst unter Preußen einig gemacht, dann
sei der Weg zur Demokratie, bei Liebknecht zum „deutschen Volksstaat" 19, für
lange Zeit blockiert. Erstaunlich, wie stark auch dabei noch die weltbürgerliche Vergangenheit
der Demokratie nachwirkte: „Ich glaube, wenn wir den Südbund
gründen, machen wir keinen Hemmschuh für die republikanische Entwicklung
Europas", schrieb Karl Mayer, führender Kopf der schwäbischen Demokratie, die
in engem Kontakt mit der 1867 in Genf gegründeten internationalen Liga für Frieden
und Freiheit stand 20.

Es ist nun aufschlußreich, daß die Einwände, wie sie die Augsburger Postzeitung
vorbrachte, weithin einer Schrift des schwäbischen Demokraten Moriz Mohl entnommen
waren21, ein Zeichen dafür, daß die beiden Gruppen über weite Strecken
die Argumente teilten und sich dann auch vielfach in die Hände arbeiteten, ohne
sich freilich sonderlich zu vertragen. Dies gilt vor allem für Württemberg, wo die
Demokraten um Karl Mayer, Julius Hausmann, Ludwig Pfau und die „ultramontanen
Demokraten" um Rudolf Probst22 seit 1868 die Mehrheit im Landtag
stellten. Ihrer Herkunft nach waren die Genannten wie auch die führenden
Demokraten in anderen Ländern, etwa Georg Friedrich Kolb in der Pfalz oder

S. Hans-Jose} Steinberg: Sozialismus, Internationalismus und Reichsgründung. In: Reichsgründung.
S. 325. Diese Position ist, wenn natürlich auch nicht gleichen Inhalts, bezeichnend für alle
oppositionellen Kräfte in Süddeutschland. So schrieb Karl Mayer, Redakteur des „Beobachters"
(das Blatt der schwäbischen Demokratie): „Gründen wir in diesem schwäbischen Mittelstaat einen
Hort für die Freiheit, in welchem das Volk seine Selbstbestimmung entwickeln kann, so leisten
wir dem ganzen Vaterland und gerade unsern Brüdern im Norden den größten Dienst."
S. Gerlinde Runge: Die Volkspartei in Württemberg von 1864 bis 1871. Die Erben der 48er
Revolution im Kampf gegen die preußisch-kleindeutsche Lösung der nationalen Frage. Stuttgart
1970. S. 218. Ebenso meinte Julius Frese in dem in Mannheim erscheinenden „Deutschen Wochenblatt
. Organ der demokratischen Volkspartei": „Den süddeutschen Bund mit Freiheit erfüllen!
Den nationalen Gedanken auf dem Gebiet der Freiheit retten", sei das Ziel der Demokraten.
S. Runge: Volkspartei. S. 66. Und schließlich erklärten die Patrioten in einer programmatischen
Kundgebung von 1869, sie wollten darauf hinwirken, „in den süddeutschen Staaten einen vor
preußischen Eingriffen gesicherten Kern für ein freiheitlich und föderalistisch zu gestaltendes
Deutschland zu erhalten". An die Neugestaltung solle es gehen, sobald Bismarcks Blut- und Eisenpolitik
gescheitert sei. S. Adolf Rapp: Großdeutsch-kleindeutsch. Stimmen aus der Zeit von 1815
bis 1914. München 1922. S. 263. Weitere zahlreiche Beispiele bei Faber: Publizistik.

20 Zit. nach O. Becker: Bismarcks Ringen. S. 635. — „La Ligue internationale de la paix et de la
liberte" entstand als Antwort auf die Krise um Luxemburg. Ihr Organ „Les Etats unis d'Europe".
Vernünftige Literatur fehlt. Angaben finden sich bei Günter Wisotzki: Die Abgrenzung der
Internationalen Arbeiterassoziation von der kleinbürgerlich-pazifistischen Friedens- und Freiheitsliga
1867—1868. In: Großpreußisch-militaristische Reichsgründung. Bd. 1. S. 467—500. Kontaktmann
der Volkspartei in Württemberg war Julius Hausmann, auf dessen Aufforderung auch
eine Reihe von Volksvereinen der Liga beitrat. S. Runge: Volkspartei. S. 116.

21 Mohl: Für die Erhaltung der süddeutschen Staaten. Stuttgart 1870. Andere katholische Zeitungen,
so etwa das Mainzer Journal, haben die 20 Seiten starke Schrift überhaupt nachgedruckt. S. Ernst
Götz: Die Stellung Hessen-Darmstadts zur deutschen Einigungsfrage in den Jahren 1866—1871.
Darmstadt 1914. S. 89. Inhaltsangabe der Schrift bei Faber: Publizistik. Bd. 2. Nr. 898. S. 615 f.

22 Über Probst s. Albert Scheurle: Der politische Katholizismus in Württemberg während der
Jahre 1857-1871. Diss. Tübingen 1923.

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