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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0117
Süddeutschland und die Reichsgründung

Nikolaus Titus in Bamberg, Oberfranken äs, 48er, meist Emigranten, die zurückgekehrt
waren und nun die demokratischen Parteien neu organisierten, zugleich
auch wieder wie 1848 die Volksvereine ins Leben riefen, um für die Bewegung
eine breite populäre Unterlage zu gewinnen 24. In Württemberg wie auch in Südhessen
erfreuten sie sich zudem - wenigstens zunächst - des Rückhalts durch ihre
Regierungen. In seinem Ministerpräsidenten, dem Freiherrn Reinhard von Dalwigk
zu Lichtenfels, stellte Hessen überdies den hartnäckigsten Anschlußgegner aus dem
Kreis jener „Partikularisten", die sich nach wie vor am Deutschland der „Vielheit",
konkret an der Ordnung des Wiener Kongresses, orientierten2ä. Unterstützt wurde
Dalwigk nicht zuletzt durch eine Gruppe von Altliberalen um Heinrich von Gagern,
der seit 1863 Gesandter Hessens in Wien war und von da aus versuchte, Österreich
wieder stärker ins Spiel zu bringen.

Des weiteren wird im Ringen um den Anschluß an den Norddeutschen Bund
eine relativ klare Polarisierung der sozialen Kräfte sichtbar. Auf der einen Seite
die, die im Norddeutschen Bund, in der Führungsrolle Preußens und im konstitutionellen
Staat den richtigen Weg zur Einheit vorgezeichnet fanden. Sie kamen,
wie gesagt, überwiegend aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum und wurden sehr
stark von ökonomischen Interessen geleitet26. Die Opposition dagegen wurde vorwiegend
von den sozialen Schichten getragen, die bisher politisch zu kurz gekommen
waren und sich nun, da sich von Norddeutschland her erst recht eine einseitige
Fixierung der Herrschaftsverhältnisse abzeichnete, zusätzlich herausgefordert fühlten
. Es waren das städtische und ländliche Kleinbürgertum sowie das mittlere und
kleinere Bauerntum, zwei Gruppen, für die Süddeutschland und insbesondere sein
Südwesten auf Grund seiner Sozialstruktur ein reiches Reservoir darstellte: unverhältnismäßig
viel Handwerker auf nicht immer goldenem Boden - in Baden etwa
130 auf 1000 Einwohner, neben Sachsen die höchste Zahl -, dann bis zu 50 °/o
bäuerliche Kleinbesitzer, ein Teil von diesen dank der günstig laufenden Indu-

23 Kolb war Statistiker und Publizist. Abgeordneter der Paulskirche, Emigrant, ab 1863 im
bayerischen Landtag, 1868 Zollparlament, 1864-66 politischer Hauptredakteur der Frankfurter
Zeitung. S. Elmar Krautkrämer: Georg Friedrich Kolb. Diss. Mainz 1959. Titus, Advokat, war
1848 der einzige demokratische Abgeordnete (für Bamberg) aus dem rechtsrheinischen Bayern.
Emigrant, Rückkehrer, in Oberfranken dann wieder für die demokratische Partei tätig, Mitglied
der Internationalen Liga für Frieden und Freiheit.

24 Diese entstanden vor allem, wenn auch in weit geringerem Ausmaß als 1848, in Württemberg.
Dazu nun die Arbeit von Runge: Volkspartei. Für 1848/52 Werner Boldt: Die württembergischen
Volksvereine von 1848 bis 1852. Stuttgart 1970. Die beiden Arbeiten geben auch Aufschluß über
die Kontinuität der demokratischen Bewegung in Württemberg.

23 S. Die Tagebücher des Freiherrn Reinhard von Dalwigk zu Lichtenfels aus den Jahren 1860—71.
Hrsg. von W. Schüßler. Stuttgart, Berlin 1920. Über Dalwigks „Partikularismus" s. Schüßler:
Einführung. S. 9. Auch Kurt Volz: Dalwigk und die Politik der deutschen Mittelstaaten 1860/71.
Diss. Heidelberg 1926.

2f Uber die wirtschaftspolitischen Hintergründe ist in den letzten Jahren viel gearbeitet worden.
Vor allem Helmut Böhme: Deutschlands Weg zur Großmacht. Studien zum Verhältnis von Wirtschaft
und Staat während der Reichsgründungszeit 1848—1881. Köln, Berlin 1966. Th. S. Hamerow:
The Social Foundations of German Unification 1858—1871. Ideas and Institutions. Princeton 1969.
Dann Wolfgang Zorn: Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Zusammenhänge der deutschen Reichsgründungszeit
(1850-1879). In: HZ. Bd. 197 (1963) S. 318-42, aufgen. in: Probleme der Reichsgründungszeit
1848-1879. Hrsg. v. H. Böhme. Köln, Berlin 1968. S. 296-316 und Zorn: Wirtschaft
und Gesellschaft in der Zeit der Reichsgründung. In: Reichsgründung. S. 197—225.

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