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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0121
Sikideutschiand und di» Reichsgründung

Demokratie ins Grenzland wehte und neuerdings von der Schweiz her auch den
Sozialismus. So war Ende 1868 im Anschluß an einen Streik in Basel in Lörrach
eine 113 Mann starke Sektion der Internationale entstanden, die in Karlsruhe viel
Aufsehen erregte und ebenso schnell aufgelöst wurde 45. Das aber kann nur heißen,
daß in dem Maße, wie die populäre Bewegung den bürokratisch-etatistischen Fürstenstaat
des Südens und seine Herrschaftsstruktur in Frage stellte, auch der fürstliche
Partikularismus weich wurde.

Aber auch Bismarck sollte von der Entwicklung in Süddeutschland nicht unberührt
bleiben, dies umso weniger, als bereits eine Reihe von Versuchen, den Main zu
überwinden, gescheitert war, andere nicht ratsam erschienen. So hat Bismarck selber
mit Rücksicht auf das nationale Prestige Preußens darauf verzichtet, die eigene
Machterweiterung auf herkömmliche Art mit Kompensationen an das am meisten
betroffene Frankreich zu erkaufen. 1867 vereitelten Dalwigk und Großherzog
Ludwig den Versuch, über Südhessen weiter zu kommen 46. 1868 erwies sich das
Zollparlament, in das die Süddeutschen mehrheitlich Anschlußgegner entsandten,
als Fehlschlag. Auch die Daumenschraube des Zollvereins wollte er, wie noch im
Frühjahr 1870 von nationalliberaler Seite empfohlen, mit Rücksicht auf die Opposition
in Süddeutschland nicht neu anziehen. Es kamen überdies im Süden Kräfte
zum Zug, die auf diese Pression weniger reagierten als das liberale Wirtschaftsbürgertum
, und nicht zuletzt hatten die Süddeutschen seit 1866 ebenfalls ein Pressionsmittel
in der Hand, das Bismarck zunehmend fürchtete, wie es der Opposition
geläufiger wurde. Preußen, visierte es Jörg an, habe das Sicherheitssystem des
Deutschen Bundes gesprengt, weil es eigenständige Großmacht werden wolle, das
aber sei auf „halbem Wege" nicht möglich; Preußen müsse daher notwendigerweise
über die „willkürliche Haltestelle" am Main hinaus, es müsse die Süddeutschen an sich
ziehen, damit sie nicht in Preußen feindliche Kombinationen einbezogen würden
und damit selbst das bisher Erreichte gefährdeten ". Jörg traf damit den Sinn der
Militärverträge, aber auch die Stelle, an der der Norddeutsche Bund und zumal
Bismarck zu treffen waren. Bismarck hat denn auch alles vermieden, was dieses in
seinen Augen wichtigste Bindeglied zwischen Nord und Süd hätte gefährden können.
Umso ernster nahm er es, als zu Beginn des Jahres 1870 die Opposition in Bayern
und Württemberg in der Tat begann, teils die Militärverträge selber, insbesondere
aber die damit verbundene Automatik des casus foederis in Frage zu stellen48, als
überhaupt der Eindruck entstehen konnte, daß gerade die Opposition die süddeutschen
Länder, voran wieder Bayern, in eine gegen Preußen gerichtete Koalition

45 S. Roger Morgan: The German Social Democrats and the First International 1864—1872.
Cambridge 1965. S. 154. Der Sitz der „Sektionsgruppe deutscher Sprache der Internationalen
Arbeiterassoziation' war Genf, ihr rühriger Chef Johann Philipp Becker.

46 Wilhelm Schußler: Bismarcks Kampf um Süddeutschland 1867. Berlin 1929.

47 H.P.B1. Bd. 58 (1866) S. 225.

48 In einem vertraulichen Erlaß an seinen Gesandten in Stuttgart vom 21. Febr. 1870 fühlte sich
denn auch Bismarck bemüßigt, „der gegenwärtigen Polemik über die Schutz- und Trutzbündnisse",
aber auch deutbaren Äußerungen des Ministerpräsidenten Freiherrn von Varnbühler entgegenzutreten
. Der Gesandte möge der Regierung bedeuten, daß es eine „Theorie des Prüfens und
Befindens über den casus foederis" nicht geben könne. Die süddeutschen Staaten seien eine
„societe de guerre" mit denselben Freunden und gegen dieselben Feinde eingegangen. Otto von
Bismarck: Die gesammelten Werke. 15 Bde., Berlin 1924-33. Bd. 6 bes. S. 257.

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